Kanada:Aufstieg und Fall des Alvo von Alvensleben: Unterschied zwischen den Versionen

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Das Leben in Britisch-Kolumbien (BC) wurde in der ersten Dekade des letzten Jahrhunderts maßgeblich von Deutschen mitbestimmt. Immigranten strömten nach Vancouver, um dort ihr Glück als Holzfäller und Minenarbeiter, Buchhalter und Buchbinder, Immobilienentwickler oder Bierbrauer zu versuchen. Auch in der elitären Vancouver Gesellschaft waren die Deutschen gerne gesehen. Schließlich war die 1901 verstorbene Victoria, Königin von Großbritannien und Irland, die Großmutter des Kaisers.
Waupoos liegt im Osten der malerischen Halbinsel Prince Edward County am Ontario See. Ed Neuser, ein deutschstämmiger Machinist, der 1957 nach Kanada kam, pflanzte hier 1993 die ersten Weinstöcke und war damit der Wegbereiter für eine blühende Weinindustrie. Heute sind die süffigen Weine aus Prince Edward County ein Geheimtipp unter Weinliebhabern.  
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Drei Jahre später machte sich Gustav Konstantin von Alvensleben, kurz Alvo von Alvensleben genannt, auf nach Kanada. Alvo stammte aus einer aristokratischen Familie und reiste mit nur 4 US Dollar in der Tasche in den Westen. Früh erkannte er das gewaltige Potential von BC mit seinen Bodenschätzen, reichen Fischbeständen und riesigen Waldflächen. Doch er wusste noch nichts von dem größten Schatz, der sich in Vancouver verbarg. Ähnlich wie heute waren es Grund und Boden, die zu Reichtum führten und nicht, wie er ursprünglich gedacht hatte, die Suche nach Gold.
  
Ed Neuser war nicht der erste Deutsche, der sich auf Prince Edward County niederließ. Es gibt hier auch alteingesessene Familien, die deutsche Vorfahren haben, wie zum Beispiel die Minakers (Meinecke/Moennecke), die Bonhards (Bangert) oder die Demhardts. Vor mehr als 200 Jahren war das damals noch unwirtschaftliche Gebiet um Waupoos von deutschstämmigen Pioneeren erschlossen worden, die unter äußerst harten Umständen den Wald rodeten, um die Gegend für die Landwirtschaft nutzbar zu machenEs handelte sich um Söldner aus dem Regiment des Prinzen Friedrichs, die im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg auf der Seite der Loyalisten gekämpft hatten und denen von der englischen Krone Land in Marysburgh (Prince Edward County) zugesagt worden war. Sie hatten unter Leitung ihres ehemaligen Vorgesetzten Baron Gottlieb Christian von Reitzenstein auf dem Sankt-Lorenz-Strom die beschwerliche Reise von Lachine nach Cataraqui, dem heutigen Kingston unternommen. Am Ende der Reise war von ihrer einst so schmucken Uniform nicht mehr viel übrig und als sie in Cataraqui noch weitere Monate ausharren mussten, da ihre Grundstücke in Marysburgh noch nicht vermessen waren, sank auch die Moral der zerlumpten Truppe auf einen Tiefststand. Als die 29 Männer, sieben Frauen und acht Kinder am 4. Oktober 1784 schließlich das ihnen zugeteilte Gebiet erreichten, blieb gerade noch Zeit einige Hütten zu errichten, um sich notdürftig vor dem bald einbrechenden Winter zu schützen.
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Nachdem sich Alvo einige Monate mit wenig standesgemäßen Jobs durchgeschlagen hatte, wuchs sein Interesse an der Entwicklung von Immobilien. Schnell  wurde ihm klar, dass er, um Erfolg zu haben, diesbezüglich auf seine guten Kontakte nach Deutschland  zurückgreifen musste. Durch die kleinen Jobs  lernte er die Provinz und die feine Vancouver Gesellschaft besser kennen. Er jagte Wild im „Fraser Valley“ und verkaufte es an die besten Restaurants der Stadt und an den elitären „Vancouver Club“.
[[Datei:Kanada_Ottawa_Rose_House_Museum_5.jpg|200px|thumb|left|Prince Edward County © Goethe-Institut Montreal]]
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1905 kaufte er sich ein Fischerboot und nutze die BC Lachswanderung, um frischen Lachs an seine Kunden zu liefern. Mit dem Erlös gründete Alvo die Firma „Alvensleben Finance and General Investment Co”. Schon bald flossen die ersten deutschen Gelder nach BC und innerhalb von 18 Monaten  kaufte er sich einen Sitz an der damals noch verschlafenen Börse in Vancouver. Seine Investoren waren  unter anderem Dr. Theobald von Bethmann-Hollweg, der Kanzler des Kaisers, der preußische Generalfeldmarschall von Mackensen, Emma von Mumm, Bertha Krupp und schließlich Kaiser Wilhelm höchstpersönlich. Als Pionier auf verschiedenen Gebieten finanzierte Alvo ein Ölförderunternehmen und widmete sich außerdem der Holzwirtschaft, Kohleförderung und Fischerei.
  
Marysburgh lag am Ende der britischen Versorgungskette und bei den Siedlern waren die Lebensmittel knapp. Baron von Reitzenstein setzte sich daher unaufhörlich bei Vertretern der englischen Krone bis hin zum Gouverneur für die Siedler ein, die unter erbärmlichen Bedingungen ums Überleben kämpften. Seine Bitten wurden jedoch nicht erhört und, da er sich, um den Siedlern zu helfen, stark verschuldet hatte, wurde sein Anteil von 150 Hektar gepfändet. Er verließ daraufhin Marysburgh und ging nach Quebec, wo er 1794 verstarb.
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Alvo war eine flamboyante Persönlichkeit und ein Paradiesvogel, der durch seinen Charme auch Investoren in der Vancouver Gesellschaft zu begeistern vermochte. Schon bald hieß es, Alvo sei „Kaiser Wilhelms Mann in Nordamerika” und könne sogar zum Premier von BC aufsteigen. Mit der Verbindung nach Deutschland kam auch das Geld. Mit deutschen Mitteln finanzierte er das Dominion Gebäude an der Ecke Cambie und Hastings Street. Es wurde 1910 zum höchsten Bau im British Empire gekürt. Für seine Familie baute er ein herrschaftliches Heim im noblen Viertel „Kerrisdale“, das jetzt „Croften House“ heißt und eine Mädchenschule beherbergt. Heute ist der Erbauer in den beiden Gebäuden in Vergessenheit geraten und weder auf ihren Webseiten noch auf einer Tafel findet sich ein Hinweis auf Alvo von Alvensleben. Regelmäßig kamen Besuche aus dem Kaiserreich. Für sie baute Alvo das exklusive „Wigwam Inn“ nahe dem „Indian Arm Provincial Park“ und bot dort Spaziergänge im Wald, Tanz im Mondschein und feine Speisen und Getränke an. Auch die Milliardäre John D. Rockefeller und John Jacob Astor waren Gäste im „Wigwam Inn“. Man sprach von Alvos „Luftkurort”. Heute gehört das „Wigwam Inn“ einem Segelklub, der nur für Mitglieder zugänglich ist und in dem nichts mehr weist auf den deutschen Ursprung hinweist.  
  
Bald nach ihrer Ankunft bauten die Siedler ein kleines Gotteshaus. Das Bauholz war vom Sägewerk in Cataraqui zu ihnen herüber geschwemmt worden. Doch die Gemeinde war zu klein, um einen eigenen Pastor zu unterhalten und die Luther-Kirche wurde deshalb gegen 1800 abgerissen. Der britische Loyalist Peter Rose hatte das Grundstück, das neben der Luther-Kirche lag, einem deutschstämmigen Söldner abgekauft, der für das harte Leben in Marysburgh nicht geschaffen war. Seine Frau Christina Bongard erhielt zu ihrer Hochzeit mit Peter Rose als Mitgift 5,25 Hektar Land, die an dessen Grundbesitz angrenzten. Das Kiefernholz aus dem Abriss der Luther-Kirche diente Peter und Christina für den Bau ihres Bauernhofs, der heute noch existiert. Hinter dem Haus liegt der Rose Friedhof, dessen ursprünglicher Name „The Old Dutch Burying Ground" den deutschen Friedhof bezeichnete. Seit 1964 ist das Rose House ein Museum. Das Haus, das über eine langgezogene Veranda betreten wird, ist außer einigen geringfügigen Änderungen in seinem ursprünglichen Zustand erhalten geblieben. Aber der auf Holz gemalte deutsche Willkommensgruß am Eingang wurde erst später angebracht und gehört nicht zur Originalausstattung. Eine Plakette an der Straße vor dem Museum erinnert an die tapferen  deutschsprachigen Söldner aus dem Prinz Friedrich Regiment, die unter der Leitung von Baron von Reitzenstein die Gemeinde Marysburgh gründeten.
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Alvo pflegte seine deutschen Wurzeln in Vancouver. In der Granville Street gründete er den „Deutschclub”, um seine Investoren mit einer eleganten Einrichtung sowie reichlich Bier und Wein bei Laune zu halten. Der Klub existiert heute nicht mehr. Auch für die deutsche Arbeiter- und Mittelschicht in Vancouver gab es viele Möglichkeiten, sich zu geselligen Abenden zu treffen. Hierzu gehörte der „Ratskeller“ im Untergeschoss des „Thomas Flack Block“ oder auch das „Cobb Building“ gegenüber dem Dominion Gebäude. Dort verkehrten deutsche Holzfäller und Bauern, Mechaniker und Minenarbeiter. Aber der wohl prominenteste Besucher war der damals noch unbekannte Buchhalter Joachim Ribbentrop. Erst später bekam er den adeligen Titelzusatz „von“ und gewann die Gunst Adolf Hitlers.
[[Datei:Kanada_Ottawa_Rose_House_Museum_Marysburgh_Plakette.jpg|750px|thumb|left|Gedenktafel in Marysburgh © Goethe-Institut Montreal]]
 
  
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Alvos deutsche Beziehungen wurden ihm schließlich zum Verhängnis. Erst kam es 1913 in der alten Heimat selbst zu einer anhaltenden Rezession, bei der Alvo den größten Teil seines 25 Millionen Dollar Vermögens (was einem heutigen Wert von 500 Millionen Dollar entspricht) verlor, dann musste er zu Kriegsbeginn nach Seattle flüchten, um nicht in einem Internierungslager zu enden. 1917 beteiligte sich auch die USA am Krieg und Alvo wurde interniert. Sein restliches Vermögen in Kanada wurde als „Canadian Custodian of Enemy Property” beschlagnahmt. Von diesem Schlag erholte  sich Alvo von Alvensleben nie wieder und starb verarmt 1965 in Seattle. Aber sein Vermächtnis bleibt und ist Teil der Geschichte Vancouvers.{{#newBox:listbox}}
 
== Adresse ==
 
== Adresse ==
''' Rose House Museum '''<br>
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''' Dominion Building '''<br>
3333 County Road 8<br>
+
205-207 Hastings St W<br>
Waupoos, Ontario<br>
+
Vancouver, BC V6B 1H7<br>
Tel.: 1-613-476-5439<br>
 
Öffnungszeiten:<br>
 
vom 22.Mai (Victoira Day) bis 4.September (Labour Day)
 
9:30 - 16:30 (montags und dienstags geschlossen)<br>
 
[http://www.thecounty.ca/county-government/departments/museums/about-us/rose-house-museum/ weitere Informationen]
 

Version vom 28. Juni 2017, 17:57 Uhr

Das Leben in Britisch-Kolumbien (BC) wurde in der ersten Dekade des letzten Jahrhunderts maßgeblich von Deutschen mitbestimmt. Immigranten strömten nach Vancouver, um dort ihr Glück als Holzfäller und Minenarbeiter, Buchhalter und Buchbinder, Immobilienentwickler oder Bierbrauer zu versuchen. Auch in der elitären Vancouver Gesellschaft waren die Deutschen gerne gesehen. Schließlich war die 1901 verstorbene Victoria, Königin von Großbritannien und Irland, die Großmutter des Kaisers. Drei Jahre später machte sich Gustav Konstantin von Alvensleben, kurz Alvo von Alvensleben genannt, auf nach Kanada. Alvo stammte aus einer aristokratischen Familie und reiste mit nur 4 US Dollar in der Tasche in den Westen. Früh erkannte er das gewaltige Potential von BC mit seinen Bodenschätzen, reichen Fischbeständen und riesigen Waldflächen. Doch er wusste noch nichts von dem größten Schatz, der sich in Vancouver verbarg. Ähnlich wie heute waren es Grund und Boden, die zu Reichtum führten und nicht, wie er ursprünglich gedacht hatte, die Suche nach Gold.

Nachdem sich Alvo einige Monate mit wenig standesgemäßen Jobs durchgeschlagen hatte, wuchs sein Interesse an der Entwicklung von Immobilien. Schnell wurde ihm klar, dass er, um Erfolg zu haben, diesbezüglich auf seine guten Kontakte nach Deutschland zurückgreifen musste. Durch die kleinen Jobs lernte er die Provinz und die feine Vancouver Gesellschaft besser kennen. Er jagte Wild im „Fraser Valley“ und verkaufte es an die besten Restaurants der Stadt und an den elitären „Vancouver Club“. 1905 kaufte er sich ein Fischerboot und nutze die BC Lachswanderung, um frischen Lachs an seine Kunden zu liefern. Mit dem Erlös gründete Alvo die Firma „Alvensleben Finance and General Investment Co”. Schon bald flossen die ersten deutschen Gelder nach BC und innerhalb von 18 Monaten kaufte er sich einen Sitz an der damals noch verschlafenen Börse in Vancouver. Seine Investoren waren unter anderem Dr. Theobald von Bethmann-Hollweg, der Kanzler des Kaisers, der preußische Generalfeldmarschall von Mackensen, Emma von Mumm, Bertha Krupp und schließlich Kaiser Wilhelm höchstpersönlich. Als Pionier auf verschiedenen Gebieten finanzierte Alvo ein Ölförderunternehmen und widmete sich außerdem der Holzwirtschaft, Kohleförderung und Fischerei.

Alvo war eine flamboyante Persönlichkeit und ein Paradiesvogel, der durch seinen Charme auch Investoren in der Vancouver Gesellschaft zu begeistern vermochte. Schon bald hieß es, Alvo sei „Kaiser Wilhelms Mann in Nordamerika” und könne sogar zum Premier von BC aufsteigen. Mit der Verbindung nach Deutschland kam auch das Geld. Mit deutschen Mitteln finanzierte er das Dominion Gebäude an der Ecke Cambie und Hastings Street. Es wurde 1910 zum höchsten Bau im British Empire gekürt. Für seine Familie baute er ein herrschaftliches Heim im noblen Viertel „Kerrisdale“, das jetzt „Croften House“ heißt und eine Mädchenschule beherbergt. Heute ist der Erbauer in den beiden Gebäuden in Vergessenheit geraten und weder auf ihren Webseiten noch auf einer Tafel findet sich ein Hinweis auf Alvo von Alvensleben. Regelmäßig kamen Besuche aus dem Kaiserreich. Für sie baute Alvo das exklusive „Wigwam Inn“ nahe dem „Indian Arm Provincial Park“ und bot dort Spaziergänge im Wald, Tanz im Mondschein und feine Speisen und Getränke an. Auch die Milliardäre John D. Rockefeller und John Jacob Astor waren Gäste im „Wigwam Inn“. Man sprach von Alvos „Luftkurort”. Heute gehört das „Wigwam Inn“ einem Segelklub, der nur für Mitglieder zugänglich ist und in dem nichts mehr weist auf den deutschen Ursprung hinweist.

Alvo pflegte seine deutschen Wurzeln in Vancouver. In der Granville Street gründete er den „Deutschclub”, um seine Investoren mit einer eleganten Einrichtung sowie reichlich Bier und Wein bei Laune zu halten. Der Klub existiert heute nicht mehr. Auch für die deutsche Arbeiter- und Mittelschicht in Vancouver gab es viele Möglichkeiten, sich zu geselligen Abenden zu treffen. Hierzu gehörte der „Ratskeller“ im Untergeschoss des „Thomas Flack Block“ oder auch das „Cobb Building“ gegenüber dem Dominion Gebäude. Dort verkehrten deutsche Holzfäller und Bauern, Mechaniker und Minenarbeiter. Aber der wohl prominenteste Besucher war der damals noch unbekannte Buchhalter Joachim Ribbentrop. Erst später bekam er den adeligen Titelzusatz „von“ und gewann die Gunst Adolf Hitlers.

Alvos deutsche Beziehungen wurden ihm schließlich zum Verhängnis. Erst kam es 1913 in der alten Heimat selbst zu einer anhaltenden Rezession, bei der Alvo den größten Teil seines 25 Millionen Dollar Vermögens (was einem heutigen Wert von 500 Millionen Dollar entspricht) verlor, dann musste er zu Kriegsbeginn nach Seattle flüchten, um nicht in einem Internierungslager zu enden. 1917 beteiligte sich auch die USA am Krieg und Alvo wurde interniert. Sein restliches Vermögen in Kanada wurde als „Canadian Custodian of Enemy Property” beschlagnahmt. Von diesem Schlag erholte sich Alvo von Alvensleben nie wieder und starb verarmt 1965 in Seattle. Aber sein Vermächtnis bleibt und ist Teil der Geschichte Vancouvers.

Adresse

Dominion Building
205-207 Hastings St W
Vancouver, BC V6B 1H7