Lettland:Erinnerung und Mahnung: Die NS-Gedenkstätte Rumbula: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:LETTLAND 001 Salaspils Wand am Eingang zur Gedenkstaette Foto Katrin Wolschke.jpg|750px|thumb|left|Salaspils, Wand am Eingang zur Gedenkstätte. Foto: Katrin Wolschke]]
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[[Datei:LETTLAND 003 Rumbula Menora mit Gedenksteinen Foto Katrin Wolschke.jpg|750px|thumb|left|Rumbula, Menora mit Gedenksteinen. Foto: Katrin Wolschke]]
  
Die Schönheit der abgeschiedenen Wälder von Salaspils und Rumbula trügt. Im Zweiten Weltkrieg ermordeten Nationalsozialisten dort Zehntausende Menschen. An die Opfer erinnern heute zwei Gedenkstätten.
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Die Schönheit der abgeschiedenen Wälder von Rumbula trügt. Im Zweiten Weltkrieg ermordeten Nationalsozialisten dort Zehntausende Juden. An die Opfer erinnert heute eine Gedenkstätte.
 
   
 
   
Sie ist Symbol für die Grenze zwischen Leben und Tod: Über mehr als 100 Meter erstreckt sich die wuchtige Betonwand am Eingang der Gedenkstätte. „Hinter diesem Tor stöhnt die Erde“, lautet die Inschrift auf dem 12 Meter hohen, begehbaren Mahnmal. Dahinter erheben sich sechs monumentale Betonfiguren auf einer großen Wiese, auf der sich im Zweiten Weltkrieg das Konzentrationslager Salaspils befand.  
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Versteckt im Wald von Rumbula erinnert die Gedenkstätte an einen der größten Massenmorde an Juden im Zweiten Weltkrieg. Im Winter 1941 wurden hier an nur zwei Tagen – am 30. November und 8. Dezember –  insgesamt 25 000 Juden von deutschen Einsatzgruppen mit Hilfe lettischer Kollaborateure erschossen.  
  
[[Datei:LETTLAND 002 Salaspils Skulptur Der Unbeugsame Foto Katrin Wolschke.jpg|750px|thumb|left|Salaspils, Skulptur „Der Unbeugsame“. Foto: Katrin Wolschke]]
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Bei den Opfern handelte es sich um lettische Juden aus dem damals vollkommen überfüllten [http://lbs.goethe.de/mediawiki/index.php/Lettland:Das_Rigaer_Ghetto?uselang=de Rigaer Ghetto], die in Marschkolonnen zur Massenerschießung in das Waldstück getrieben wurden. Doch auch 1 000 aus Berlin deportierte deutsche Juden wurden hier hingerichtet. Nur zwei Menschen überlebten die Vernichtungsaktionen von Rumbula.
  
Zwanzig Kilometer südöstlich von Riga mussten deportierte Juden während der deutschen Besatzung im Sommer 1941 das sogenannte „Erweiterte Polizeigefängnis“ und „Arbeitserziehungslager“ errichten. Politische und Kriegsgefangene, Juden, Zwangsarbeiter sowie die Kinder der Verschleppten und Ermordeten wurden auf dem umzäunten Kasernengelände festgehalten.  
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[[Datei:LETTLAND 001 Rumbula Gedenkstein.jpg|750px|thumb|left|Rumbula, Gedenkstein. Foto: Katrin Wolschke]]
  
Bis zur Auflösung des Lagers Ende 1944 waren hier etwa 23 000 Menschen eingesperrt. Mindestens 2 000 kamen ums Leben, die tatsächliche Anzahl ist jedoch unklar. Für die meisten war Salaspils nur eine Zwischenstation, bevor sie in andere Konzentrations- und Vernichtungslager weitertransportiert und umgebracht wurden.
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Die Aufarbeitung der tragischen Geschichte von Rumbula verlief schleppend. Erst mit dem Ende der sowjetisch verordneten Erinnerung, die das Thema der systematischen Vernichtung der europäischen Juden weitestgehend ausschloss, setzte nach der Unabhängigkeit 1991 in Lettland eine umfassende historische Auseinandersetzung ein. Doch noch immer fällt der kritische Umgang mit der eigenen Mittäterschaft schwer.  
  
Vom einstigen Lagergelände ist heute kaum noch etwas zu sehen. Längs des Platzes kennzeichnen Betonelemente die Standorte der Baracken und der Exekutionsplätze. Die Stille durchdringen dumpfe Taktschläge eines Metronoms, die den Herzschlag der Opfer symbolisieren.
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[[Datei:LETTLAND 004 Rumbula Massengrab Foto Katrin Wolschke.jpg|750px|thumb|left|Rumbula, Massengrab. Foto: Katrin Wolschke]]
 
 
[[Datei:LETTLAND 003 Rumbula Menora mit Gedenksteinen Foto Katrin Wolschke.jpg|750px|thumb|left|Rumbula, Menora mit Gedenksteinen. Foto: Katrin Wolschke]]
 
 
 
Fünf Kilometer von Salaspils entfernt erinnert eine weitere Gedenkstätte an einen der größten Massenmorde an Juden im Zweiten Weltkrieg. Im Wald von Rumbula wurden im Winter 1941 an nur zwei Tagen - am 30. November und 8. Dezember - insgesamt 25 000 Juden von deutschen Einsatzgruppen mit Hilfe lettischer Kollaborateure erschossen.
 
 
 
Bei den Opfern handelte es sich um lettischen Juden aus dem damals vollkommen überfüllten Rigaer Ghetto, die in Marschkolonnen zur Massenerschießung in das Waldstück getrieben wurden. Doch auch 1 000 aus Berlin deportierte deutsche Juden wurden hingerichtet. Nur zwei Menschen überlebten die Vernichtungsaktionen von Rumbula.
 
  
[[Datei:LETTLAND 004 Rumbula Massengrab Foto Katrin Wolschke.jpg|750px|thumb|left|Rumbula, Massengrab. Foto: Katrin Wolschke]]
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Erst seit 1990 benannte ein Gedenkstein an der Einfahrt zum Gelände die Opfer von Rumbula offiziell als jüdisch. Das Mahnmal konnte schließlich 2002 mit internationaler Finanzierung und nach Plänen des Architekten Sergejs Rižs verwirklicht werden.  
  
Die Aufarbeitung der tragischen Geschichte von Rumbula und Salaspils verlief schleppend. Erst mit dem Ende der sowjetisch verordneten Erinnerung setzte nach der Unabhängigkeit 1991 in Lettland eine kritische historische Auseinandersetzung ein. Doch noch immer fällt der selbstkritischen Umgang mit der eigenen Mittäterschaft schwer.  
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Mit dem Rückzug vor der Roten Armee begannen die deutschen Besatzer 1944 die Spuren ihrer Verbrechen zu beseitigen. Dazu zwangen sie Arbeitskommandos, die Leichen der Ermordeten auszugraben, um sie zu verbrennen. Auf die Lage der Massengräber verweisen heute Betoneinfassungen und Stehlen.
  
Ein Mahnmal für die Opfer von Rumbula wurde erst 2002 mit internationaler Finanzierung und nach Plänen des Architekten Sergejs Rižs verwirklicht. Im Zentrum der Gedenkstätte steht eine vier Meter hohe Menora. Der siebenarmige jüdische Leuchter ist von einem Meer aus Granitsteinen umgeben, auf denen die Namen der hier ermordeten Juden eingraviert sind.  
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[[Datei:LETTLAND 005 Praesident Vejonis in Rumbula 29.11.2016 Foto Toms Kalnins(c) Praesidentenkanzlei.JPG|750px|thumb|left|Der lettische Staatspräsident Raimonds Vējonis am 29.11.2016 in Rumbula bei der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Massenmords an Juden 75 Jahre zuvor. Foto: Toms Kalniņš © Kanzlei des lettischen Staatspräsidenten]]
  
Auf die Lage der Massengräber verweisen Betoneinfassungen und kleine Stehlen. Die Gräber sind jedoch leer. Mit dem Rückzug vor der Roten Armee begannen die deutschen Besatzer 1944 die Spuren ihrer Verbrechen zu beseitigen. Dazu zwangen sie Arbeitskommandos, die Leichen der Ermordeten auszugraben, um sie zu verbrennen.{{#newBox:}}
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Im Zentrum der Gedenkstätte steht eine vier Meter hohe Menora. Der siebenarmige jüdische Leuchter ist von einem Meer aus Granitsteinen umgeben, auf denen die Namen der hier ermordeten Juden eingraviert sind. Dort legte der lettische Staatspräsident Raimonds Vējonis am 75. Jahrestag in Gedenken an die Opfer einen Kranz nieder und erinnerte an die „ungeheuerlichen Verbrechen“. Am Rigaer Freiheitsdenkmal zündeten hunderte Menschen Kerzen an.
{{#Galerie:Weitere Bilder|[[Datei:LETTLAND 005 Salaspils Das Innere der Eingangswand Foto Katrin Wolschke.jpg|Salaspils, Das Innere der Eingangswand. Foto: Katrin Wolschke]],[[Datei:LETTLAND 006 Salaspils Skulpturengruppe Solidaritaet Schwur Rot Front Foto Katrin Wolschke.jpg|Salaspils, Skulpturengruppe Solidarität, Schwur, Rot Front. Foto: Katrin Wolschke]]}}
 
 
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==Standort- und Besucherinformation==
 
==Standort- und Besucherinformation==
'''Gedenkstätte Salaspils'''<br>
 
Salaspils, LV–2118<br>
 
LETTLAND<br>
 
Telefon: +371 67700449<br>
 
Zufahrt von der A6<br>
 
Ausschilderung: „Memoriālais ansamblis“<br><br>
 
 
'''Gedenkstätte Rumbula'''<br>
 
'''Gedenkstätte Rumbula'''<br>
Riga, LV–1063 <br>
+
Rīga, LV–1063 <br>
 
LETTLAND<br>
 
LETTLAND<br>
 
Zufahrt von der A6<br>
 
Zufahrt von der A6<br>
Keine Ausschilderung, an der Einfahrt steht eine große, flammenartige Metallkonstruktion{{#newBox:listbox}}
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Keine Ausschilderung, an der Einfahrt steht eine große, flammenartige Metallkonstruktion
 +
{{#newBox:listbox}}
 
==Links==
 
==Links==
*[http://www.salaspils.lv/ru/apskates-objekti/25-pieminas-vietas/240-salaspils-memorialais-ansamblis Gedenkstätte Salaspils]
+
*[http://www.jewishmuseum.lv/en/ Museum „Juden in Lettland“]
*[http://www.jewishmuseum.lv/en/ „Juden in Lettland“]
 
 
*[http://www.rgm.lv/?lang=en Rigaer Ghetto-Museum]
 
*[http://www.rgm.lv/?lang=en Rigaer Ghetto-Museum]
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*[https://www.goethe.de/ins/lv/de/kul/sup/eri/ate.html Erinnerungskultur in Deutschland und Lettland]
 
==Deutsche Spuren in Lettland==
 
==Deutsche Spuren in Lettland==
 
Ein Projekt des Goethe-Instituts Lettland.<br>
 
Ein Projekt des Goethe-Instituts Lettland.<br>
 
Autorin: Katrin Wolschke
 
Autorin: Katrin Wolschke

Aktuelle Version vom 4. September 2020, 16:29 Uhr

Rumbula, Menora mit Gedenksteinen. Foto: Katrin Wolschke

Die Schönheit der abgeschiedenen Wälder von Rumbula trügt. Im Zweiten Weltkrieg ermordeten Nationalsozialisten dort Zehntausende Juden. An die Opfer erinnert heute eine Gedenkstätte.

Versteckt im Wald von Rumbula erinnert die Gedenkstätte an einen der größten Massenmorde an Juden im Zweiten Weltkrieg. Im Winter 1941 wurden hier an nur zwei Tagen – am 30. November und 8. Dezember – insgesamt 25 000 Juden von deutschen Einsatzgruppen mit Hilfe lettischer Kollaborateure erschossen.

Bei den Opfern handelte es sich um lettische Juden aus dem damals vollkommen überfüllten Rigaer Ghetto, die in Marschkolonnen zur Massenerschießung in das Waldstück getrieben wurden. Doch auch 1 000 aus Berlin deportierte deutsche Juden wurden hier hingerichtet. Nur zwei Menschen überlebten die Vernichtungsaktionen von Rumbula.

Rumbula, Gedenkstein. Foto: Katrin Wolschke

Die Aufarbeitung der tragischen Geschichte von Rumbula verlief schleppend. Erst mit dem Ende der sowjetisch verordneten Erinnerung, die das Thema der systematischen Vernichtung der europäischen Juden weitestgehend ausschloss, setzte nach der Unabhängigkeit 1991 in Lettland eine umfassende historische Auseinandersetzung ein. Doch noch immer fällt der kritische Umgang mit der eigenen Mittäterschaft schwer.

Rumbula, Massengrab. Foto: Katrin Wolschke

Erst seit 1990 benannte ein Gedenkstein an der Einfahrt zum Gelände die Opfer von Rumbula offiziell als jüdisch. Das Mahnmal konnte schließlich 2002 mit internationaler Finanzierung und nach Plänen des Architekten Sergejs Rižs verwirklicht werden.

Mit dem Rückzug vor der Roten Armee begannen die deutschen Besatzer 1944 die Spuren ihrer Verbrechen zu beseitigen. Dazu zwangen sie Arbeitskommandos, die Leichen der Ermordeten auszugraben, um sie zu verbrennen. Auf die Lage der Massengräber verweisen heute Betoneinfassungen und Stehlen.

Der lettische Staatspräsident Raimonds Vējonis am 29.11.2016 in Rumbula bei der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Massenmords an Juden 75 Jahre zuvor. Foto: Toms Kalniņš © Kanzlei des lettischen Staatspräsidenten

Im Zentrum der Gedenkstätte steht eine vier Meter hohe Menora. Der siebenarmige jüdische Leuchter ist von einem Meer aus Granitsteinen umgeben, auf denen die Namen der hier ermordeten Juden eingraviert sind. Dort legte der lettische Staatspräsident Raimonds Vējonis am 75. Jahrestag in Gedenken an die Opfer einen Kranz nieder und erinnerte an die „ungeheuerlichen Verbrechen“. Am Rigaer Freiheitsdenkmal zündeten hunderte Menschen Kerzen an.

Standort- und Besucherinformation

Gedenkstätte Rumbula
Rīga, LV–1063
LETTLAND
Zufahrt von der A6
Keine Ausschilderung, an der Einfahrt steht eine große, flammenartige Metallkonstruktion

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Deutsche Spuren in Lettland

Ein Projekt des Goethe-Instituts Lettland.
Autorin: Katrin Wolschke