Russland:Lutherische Peter-und-Paul-Schule für Jungen: Unterschied zwischen den Versionen

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Nach der Gründung der Kirche St. Peter und Paul wurde in der Nähe eine Schule für Jungen eröffnet. Was die Qualität des Unterrichts und die Anzahl der Fächer betrifft, wurde sie mit zu den besten Schulen in Moskau gezählt. Viele Eltern in Russland wollten seinerzeit, dass ihre Kinder diese Schule besuchen. Russischen Kindern wurde Deutsch beigebracht, da diese Sprache damals ein notwendiges Kommunikationsmittel in den Geschäftskreisen war. Im Jahr 1840 gab es an der Schule 104 Schüler, darunter nur 38 Deutsche. Die Jungen gingen acht Jahre lang zur Schule, auf dem Lehrplan standen Religion (für Lutheraner und Orthodoxe getrennt), Deutsch, Russisch, Französisch und Latein, Arithmetik, Algebra, Geometrie, Geografie, Geschichte, Naturgeschichte, Physik, Kunsterziehung und Schönschrift. Der Historiker Wladimir Guerrier, Gründer der ersten Moskauer Hochschule für Frauen und Nachkomme einer Hamburger Familie, besuchte ebenfalls diese Schule.
 
Nach der Gründung der Kirche St. Peter und Paul wurde in der Nähe eine Schule für Jungen eröffnet. Was die Qualität des Unterrichts und die Anzahl der Fächer betrifft, wurde sie mit zu den besten Schulen in Moskau gezählt. Viele Eltern in Russland wollten seinerzeit, dass ihre Kinder diese Schule besuchen. Russischen Kindern wurde Deutsch beigebracht, da diese Sprache damals ein notwendiges Kommunikationsmittel in den Geschäftskreisen war. Im Jahr 1840 gab es an der Schule 104 Schüler, darunter nur 38 Deutsche. Die Jungen gingen acht Jahre lang zur Schule, auf dem Lehrplan standen Religion (für Lutheraner und Orthodoxe getrennt), Deutsch, Russisch, Französisch und Latein, Arithmetik, Algebra, Geometrie, Geografie, Geschichte, Naturgeschichte, Physik, Kunsterziehung und Schönschrift. Der Historiker Wladimir Guerrier, Gründer der ersten Moskauer Hochschule für Frauen und Nachkomme einer Hamburger Familie, besuchte ebenfalls diese Schule.
  
Im Jahre 1844 wurde Hermann Jacob Eduard Hörschelmann (1804–1865) Rektor der Peter-und-Paul-Schule. Sein Großvater, der ursprünglich aus Thüringen stammte – Ernst August Wilhelm – war 1768 bis 1795 Rektor des Kaiserlichen Gymnasiums in Reval (heute Tallinn genannt). Sein Vater, Friedrich August, war Pastor im Baltikum. Als Rektor der Peter-und-Paul-Schule führte Hörschelmann technische Mechanik, Wirtschaftsgeografie, Buchführung und kaufmännische Arithmetik in den Lehrplan für die Oberstufe ein.
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Im Jahre 1844 wurde Hermann Jacob Eduard Hörschelmann (1804–1865) Rektor der Peter-und-Paul-Schule. Sein Großvater, der ursprünglich aus Thüringen stammte – Ernst August Wilhelm Hörschelmann – war 1768 bis 1795 Rektor des Kaiserlichen Gymnasiums in Reval (heute Tallinn genannt). Sein Vater, Friedrich August, war Pastor im Baltikum. Als Rektor der Peter-und-Paul-Schule führte Hörschelmann technische Mechanik, Wirtschaftsgeografie, Buchführung und kaufmännische Arithmetik in den Lehrplan für die Oberstufe ein. Unter seiner Leitung wurden alle Fächer anstatt auf Latein in deutscher Sprache unterrichtet, Russisch und Französisch waren obligatorisch, auf Wunsch konnten die Schüler Englisch und Latein lernen. Außerdem wurde die Methodik des Fremdsprachenunterrichtes geändert: Die zentrale Rolle spielte jetzt die mündliche Rede. Deshalb war einer der beiden Erzieher ein Deutscher und der andere ein Franzose. Die Schüler mussten entweder den ganzen Tag Deutsch oder Französisch sprechen, abhängig vom Dienstplan des jeweiligen Erziehers.
 
 
Unter seiner Leitung wurden alle Fächer anstatt auf Latein in deutscher Sprache unterrichtet, Russisch und Französisch waren obligatorisch, auf Wunsch konnten die Schüler Englisch und Latein lernen. Außerdem wurde die Methodik des Fremdsprachenunterrichtes geändert: Die zentrale Rolle spielte jetzt die mündliche Rede. Deshalb war einer der beiden Erzieher ein Deutscher und der andere ein Franzose. Die Schüler mussten entweder den ganzen Tag Deutsch oder Französisch sprechen, abhängig vom Dienstplan des jeweiligen Erziehers.
 
  
 
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Der erste Steinbau des Jungengymnasiums und der Realschule wurde 1865 in der Petrowerigski-Gasse nach den Plänen von A. Meinhard errichtet. Pjotr Lebedew, Gründer der ersten wissenschaftlichen Physikschule in Russland, und Wazlaw Worowski, einer der ersten sowjetischen Botschafter, wurden hier ausgebildet. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Räumlichkeiten der Schule wegen der hohen Schüleranzahl zu eng und im Jahre 1913 wurde nach den Plänen von Gustav Otto Hermann von Dessien ein neues Gebäude errichtet, das bis heute erhalten geblieben ist.
 
Der erste Steinbau des Jungengymnasiums und der Realschule wurde 1865 in der Petrowerigski-Gasse nach den Plänen von A. Meinhard errichtet. Pjotr Lebedew, Gründer der ersten wissenschaftlichen Physikschule in Russland, und Wazlaw Worowski, einer der ersten sowjetischen Botschafter, wurden hier ausgebildet. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Räumlichkeiten der Schule wegen der hohen Schüleranzahl zu eng und im Jahre 1913 wurde nach den Plänen von Gustav Otto Hermann von Dessien ein neues Gebäude errichtet, das bis heute erhalten geblieben ist.
  
Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges wurde der Unterricht auf Deutsch verboten, alle deutschen Lehrbücher wurden entfernt und nach der Revolution 1918 wurden alle Schulen der evangelisch-lutherischen Kirchen geschlossen. Heutzutage ist in diesem Haus die föderal-staatliche, haushaltsplangebundene Einrichtung „Nationales Forschungszentrum für Präventive Medizin des Gesundheitsministeriums Russlands“ untergebracht. Vor dem Gebäude der ehemaligen Schule befindet sich das im Jahre 1973 errichtete bronzene Monument zu Ehren von Alexander Mjasnikow. Er war Akademiker, Gründer der russischen Therapeutik und persönlicher Arzt von Stalin.{{#newBox:listbox}}
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Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges wurde der Unterricht auf Deutsch verboten, alle deutschen Lehrbücher wurden entfernt und nach der Revolution 1918 wurden alle Schulen der evangelisch-lutherischen Kirchen geschlossen. Heutzutage ist in diesem Haus die föderal-staatliche, haushaltsplangebundene Einrichtung „Nationales Forschungszentrum für Präventive Medizin des Gesundheitsministeriums Russlands“ untergebracht. Vor dem Gebäude der ehemaligen Schule befindet sich das im Jahre 1973 errichtete bronzene Monument zu Ehren von Alexander Mjasnikow. Er war Akademiker, Gründer der russischen Therapeutik und persönlicher Arzt von Stalin.
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== Standortinformationen ==
 
== Standortinformationen ==
 
'''Lutherische Peter-und-Paul-Schule für Jungen'''<br>
 
'''Lutherische Peter-und-Paul-Schule für Jungen'''<br>
 
Moskau, Petrowerigski-Gasse, 10, Gebäude 3
 
Moskau, Petrowerigski-Gasse, 10, Gebäude 3
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== In Kooperation mit dem AOV „Internationaler Verband der deutschen Kultur“ ==
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* [http://de.ivdk.ru http://de.ivdk.ru]

Aktuelle Version vom 4. September 2020, 16:29 Uhr

Das Gebäude der ehemaligen Lutherischen Peter-und-Paul-Schule für Jungen © Batanai Schamu

Nach der Gründung der Kirche St. Peter und Paul wurde in der Nähe eine Schule für Jungen eröffnet. Was die Qualität des Unterrichts und die Anzahl der Fächer betrifft, wurde sie mit zu den besten Schulen in Moskau gezählt. Viele Eltern in Russland wollten seinerzeit, dass ihre Kinder diese Schule besuchen. Russischen Kindern wurde Deutsch beigebracht, da diese Sprache damals ein notwendiges Kommunikationsmittel in den Geschäftskreisen war. Im Jahr 1840 gab es an der Schule 104 Schüler, darunter nur 38 Deutsche. Die Jungen gingen acht Jahre lang zur Schule, auf dem Lehrplan standen Religion (für Lutheraner und Orthodoxe getrennt), Deutsch, Russisch, Französisch und Latein, Arithmetik, Algebra, Geometrie, Geografie, Geschichte, Naturgeschichte, Physik, Kunsterziehung und Schönschrift. Der Historiker Wladimir Guerrier, Gründer der ersten Moskauer Hochschule für Frauen und Nachkomme einer Hamburger Familie, besuchte ebenfalls diese Schule.

Im Jahre 1844 wurde Hermann Jacob Eduard Hörschelmann (1804–1865) Rektor der Peter-und-Paul-Schule. Sein Großvater, der ursprünglich aus Thüringen stammte – Ernst August Wilhelm Hörschelmann – war 1768 bis 1795 Rektor des Kaiserlichen Gymnasiums in Reval (heute Tallinn genannt). Sein Vater, Friedrich August, war Pastor im Baltikum. Als Rektor der Peter-und-Paul-Schule führte Hörschelmann technische Mechanik, Wirtschaftsgeografie, Buchführung und kaufmännische Arithmetik in den Lehrplan für die Oberstufe ein. Unter seiner Leitung wurden alle Fächer anstatt auf Latein in deutscher Sprache unterrichtet, Russisch und Französisch waren obligatorisch, auf Wunsch konnten die Schüler Englisch und Latein lernen. Außerdem wurde die Methodik des Fremdsprachenunterrichtes geändert: Die zentrale Rolle spielte jetzt die mündliche Rede. Deshalb war einer der beiden Erzieher ein Deutscher und der andere ein Franzose. Die Schüler mussten entweder den ganzen Tag Deutsch oder Französisch sprechen, abhängig vom Dienstplan des jeweiligen Erziehers.

Schulhof © Batanai Schamu

Aber Hörschelmann änderte nicht nur die Methodik des Fremdsprachenunterrichtes. Nikolai Najdjonow, ein russischer Unternehmer, Heimatforscher und Lehrling von Hörschelmann, erzählte, dass „früher dem Studium Hausaufgaben und Paukerei zugrunde lagen“ und die Abfrage der im Unterricht erworbenen Kenntnisse. Unter der Leitung Hörschelmanns wurde „ein Teil der Stunde für die Hausaufgabenkontrolle benutzt und der andere für die Erklärung des neuen Materials“. Der Rektor selbst unterrichtete in der Oberstufe Geschichte und tat dies so fesselnd, dass das „nüchterne“ Fach, in dem es früher nur um das Auswendiglernen von Daten ging, interessant für die Schüler wurde.

Am 21. April 1879 wurde eine Sonderregelung verabschiedet, nach der die Schule in eine einjährige Vorbereitungsschule, ein achtjähriges Gymnasium und eine siebenjährige Realschule unterteilt wurde. In die Vorbereitungsschule wurden Kinder ab sieben Jahren aufgenommen, deutsche und russische. Die deutschen Kinder lernten intensiv Russisch und die russischen Kinder Deutsch. Religion, Singen und Arithmetik wurden ebenfalls getrennt unterrichtet. Die Schule war entweder kostenlos oder die Eltern mussten eine kleine Gebühr zahlen. Nach der Absolvierung der Vorbereitungsschule gingen die Kinder an das Gymnasium oder an die Realschule: Dort studierten alle Schüler zusammen. Am Gymnasium und an der Realschule wurden alle Fächer auf Deutsch unterrichtet. Ausnahmen waren nur Orthodoxe Religion, Russisch, Geschichte und Geografie Russlands. An der Realschule wurde Naturgeschichte auf Russisch gelehrt, am Gymnasium fand der Unterricht in Logik, Physik und Mathe ab der 3. Klasse auf Russisch statt.

Der erste Steinbau des Jungengymnasiums und der Realschule wurde 1865 in der Petrowerigski-Gasse nach den Plänen von A. Meinhard errichtet. Pjotr Lebedew, Gründer der ersten wissenschaftlichen Physikschule in Russland, und Wazlaw Worowski, einer der ersten sowjetischen Botschafter, wurden hier ausgebildet. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Räumlichkeiten der Schule wegen der hohen Schüleranzahl zu eng und im Jahre 1913 wurde nach den Plänen von Gustav Otto Hermann von Dessien ein neues Gebäude errichtet, das bis heute erhalten geblieben ist.

Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges wurde der Unterricht auf Deutsch verboten, alle deutschen Lehrbücher wurden entfernt und nach der Revolution 1918 wurden alle Schulen der evangelisch-lutherischen Kirchen geschlossen. Heutzutage ist in diesem Haus die föderal-staatliche, haushaltsplangebundene Einrichtung „Nationales Forschungszentrum für Präventive Medizin des Gesundheitsministeriums Russlands“ untergebracht. Vor dem Gebäude der ehemaligen Schule befindet sich das im Jahre 1973 errichtete bronzene Monument zu Ehren von Alexander Mjasnikow. Er war Akademiker, Gründer der russischen Therapeutik und persönlicher Arzt von Stalin.

Standortinformationen

Lutherische Peter-und-Paul-Schule für Jungen
Moskau, Petrowerigski-Gasse, 10, Gebäude 3
 

In Kooperation mit dem AOV „Internationaler Verband der deutschen Kultur“

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