Russland:Stadtvilla des Müllers Konstantin Reinecke, Sobornaia Str. 22: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Stadtvilla des Müllers Konstantin Reinecke, Sobornaia Str. 22'''<br>
 
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Saratow, Sobornaia Str. 22
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== In Kooperation mit dem Bayerischen Kulturzentrum der Deutschen aus Russland e. V. (BKDR) ==
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Aktuelle Version vom 25. April 2022, 09:56 Uhr

Stadtvilla des Müllers Reinecke © Alexander Milewski, 2021

Der deutsche Müller und Kaufmann Konstantin Reinecke erwarb Mitte der 1900er Jahre ein Grundstück im Stadtviertel beim Park Lipki. Anstelle des Hauses, das auf diesem Grundstück bereits gestanden hatte, ließ er ein neues errichten, das seinen Vorstellungen von Komfort und Schönheit genau entsprach. Das Vorhaben für die Stadtvilla wurde 1908 bis 1912 von der Planungsidee bis zur Fertigstellung bis ins kleinste Detail im damals aktuellen Jugendstil kontinuierlich und brillant ausgeführt. Zur Urheberschaft des Entwurfs gibt es unterschiedliche Meinungen. Es wurde sogar die Vermutung geäußert, dass er aus dem Atelier von Fjodor Franz Schechtel stammt, einem federführenden Meister dieser Stilrichtung. In jedem Fall ist das Haus ein großes Meisterwerk der Architektur.

Das Gebäude hat keine offensichtliche Hauptfassade – aus welchem Blickwinkel man es auch betrachten mag, jede Ansicht ist beeindruckend und prächtig. Selbst die ausdrucksvolle und dynamische doppelgeschossige Fassade, die der Straße und dem Park Lipki zugewandt ist, ist ein wenig zurückgesetzt. Der Betrachter soll wohl zunächst die wellenförmige Einzäunung bewundern, die entlang des Bürgersteigs zu fließen scheint. Die Zäune, deren Silhouette und Proportionen einem Musterbau dieser Stilrichtung – der Stadtvilla von Rjabuschinski in Moskau (1900–1903, Architekt: Fjodor Franz Schechtel) – nachempfunden sind, dient Befürwortern der Urheberschaft von Schechtel nahezu als Hauptargument.

Stadtvilla des Müllers Reinecke © Alexander Milewski, 2021

Das Haus scheint sich zu drehen; seine Flächen sind nicht ausgeprägt und die Baukörper gehen fließend ineinander über. Erker, Balkon, Gartenrotunde, wellenförmige Fenster und dekorative Panneaus sind einer Idee untergeordnet: dem gemeinsamen Motiv der Kreisbewegung. Genau wie in der Stadtvilla der Borels wird auch hier der Impuls für die Kreiselbewegung vom Grundriss des Hauses vorgegeben. Die Räume sind um dessen Mitte – den Flur – herum angeordnet: Paradesäle und -zimmer sind zur Straße hin vorverlegt, während Schlafräume und Arbeitszimmer dem Garten zugewandt sind.

Von eigenständigem Wert ist die Ausstattung des Hauses. Es scheint, als ob für die Fassaden und die Innenräume alle denkbaren Baumaterialien verwendet worden sind: Blendsteine, glasierte Fliesen, Schmiedeeisen, Beton, Keramikfliesen, getöntes Glas, Dachziegel, Holzpaneele… und all dies in unglaublich abwechslungsreichen Formen, Maserungen und Farben. Ist das für ein einziges Gebäude nicht etwas zu viel des Guten? Der Hausbesitzer hat keine Kosten und Mühen gescheut, als er einzelne Details der Ausstattung bei den besten Künstlern und Handwerkern in Auftrag gab. So wurden die Mosaikpanneaus aus Majolika für die Fassaden im berühmten Moskauer Atelier Abramzewo gefertigt, das mit den damals besten Architekten und Auftraggebern zusammenwirkte. Es wurde Maß gehalten, die Farben wurden akribisch aufeinander abgestimmt und die Details sind von ihrer Grundidee und Ausführung her einwandfrei. Das Ergebnis haben wir vor Augen: So stellt man sich Harmonie vor.

Stadtvilla des Müllers Reinecke © Alexander Milewski, 2021
Das Haus befand sich lediglich fünf Jahre im Besitz von Reinecke. Im Jahr 1917 wurde es verstaatlicht und fast sofort von Anarchisten besetzt, die „innerhalb von einem Monat […] diesen großen Raum geplündert haben […]: Selbst die Türklinken haben sie abgenommen und auf dem Markt verkauft“. Später hatten hier verschiedene Institutionen ihren Sitz; seit mehreren Jahrzehnten ist eine kleine Klinik untergebracht. Wenn man die Stadtvilla von außen betrachtet, so ist sie recht gut erhalten geblieben und alles, was oben erwähnt worden ist, kann besichtigt werden – natürlich abgesehen von den Innenräumen: Dafür gelten heute strenge Vorschriften.

Text

Prof. Dr. Sergey Terekhin, Prof. Dr. Olga Litzenberger

Standortinformationen

Stadtvilla des Müllers Konstantin Reinecke, Sobornaia Str. 22
Saratow, Sobornaia Str. 22
 

In Kooperation mit dem Bayerischen Kulturzentrum der Deutschen aus Russland e. V. (BKDR)

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