Der alte Palast
Das schlichte neoklassizistische Gebäude in rechteckiger Grundform ist heute das griechische Parlament, wurde aber ursprünglich als Palast für König Otto und seine Gemahlin Amalia nach Plänen des deutschen Architekten Friedrich von Gärtner errichtet. Direkt daneben befindet sich der Nationalgarten, den sogar der amerikanische Schriftsteller Henry Miller bewundert hat.
Der Grundstein für den Alten Palast wurde am 25. Januar bzw. nach julianischem Kalender am 6. Februar 1836 am damaligen Ostrand der Stadt gelegt, nahe der sogenannten „Boubounistra“, einem der sieben Stadttore des damaligen Athen. Ausgesucht wurde diese Stelle zwischen dem Lykabettoshügel und dem Akropolisfelsen, weil sie weithin sichtbar war und ihr Klima für gesund befunden wurde.
Das Königspaar bezog die neue Residenz am 25 Juli bzw. nach julianischer Zeitrechnung am 6. August 1843 in der Hoffnung, dass dieser Wechsel auch den ersehnten Thronfolger bringen würde, wie ein Brief Amalias an ihren Vater, den Großherzog Paul Friedrich August von Oldenburg bezeugt, in dem die Königin schreibt: „Wenn doch der neue Palast Segen brächte und ich bald einen kleinen Jungen bekäme!“ Auch nach dem Einzug des Königspaares wurden noch etliche Arbeiten am Gebäude fortgesetzt.
Trotz seiner Größe ist das Gebäude schlicht und zeichnet sich durch eine strenge neoklassizistische Formensprache aus. Der rechteckige Grundriss schafft vier Außentrakte und einen Mitteltrakt. An der Ost- und Südseite erheben sich dorische Säulengänge und an der westlichen Hauptfront eine von dorischen Säulen gestützte Vorhalle. Direkt neben dem Palastgebäude ließ Königin Amalia unter persönlichem Einsatz den Königlichen Garten, heute Nationalgarten angelegen.
Ursprünglich war das Gebäude folgendermaßen aufgeteilt: im Erdgeschoss befanden sich die Vorhalle mit den aus einem Stück gefertigten ionischen Säulen, die Räume der Sekretäre und der Palastwache, die Küchen sowie eine Kapelle für die Andacht der Könige und ihres Hofstaats. Im ersten Stock lagen die Schlafzimmer und die Büroräume des Königspaares, der Thronsaal, der Trophäensaal, der Saal der Adjutanten und der der Hofdamen, der Ballsaal und der Spielesaal, sowie der Speisesaal und die Bibliothek. Im zweiten Stock befanden sich der Musiksaal, die Quartiere des Palastgesindes und die Zimmerfluchten des Thronfolgers, den es nicht gab. Im Keller schließlich waren die Lagerräume und der Weinkeller untergebracht.
Besonders bemerkenswert sind die Fresken des Palastes, vor allem jene, mit denen der Trophäensaal und der darauffolgende Saal der Adjutanten im ersten Stock ausgemalt sind. Im ersten Saal sind Szenen aus der griechischen Revolution dargestellt wie der Schwur der Revolutionäre, die Schlachten von Peta und Karpenisi, die Belagerung von Mesolongi, die Inbrandsetzung der türkischen Flotte in Chios und die Seeschlacht von Navarino, aber auch Szenen von der Thronbesteigung Ottos, seine Einführung bei den Griechen durch seinen Vater Ludwig I von Bayern , der in einer weiteren Szene die Annahme der Wahl des noch minderjährigen Otto zum griechischen König unterzeichnet sowie Ottos Ankunft in Nafplion.
Im Saal der Adjutanten befinden sich vierzehn kunstvolle Portraits in Form von Medaillen, von denen die erste den Wegbereiter der Revolutionsbewegung Rigas Feraios zeigt, die folgenden zwölf Vorreiter der Griechischen Revolution und die letzte den britischen Philhellenen Frank Hastings, der im Kampf für die Freiheit der Griechen getötet wurde.
Der damals berühmte Künstler Ludwig Michael von Schwanthaler war mit den ersten Entwürfen für die Fresken beauftragt worden, für die Ausführung aber wurde eine Vielzahl von Malern eingesetzt, die extra zu diesem Zweck von München nach Athen kamen.
Offensichtlich erfreute sich aber nicht die gesamte Freskenmalerei des Palastes der gleichen Qualität. Amalia beschrieb ihrem Vater die Einrichtung des neuen Salons und bemerkte, dass sie über die Türen „Bilder von Schauburg gehängt habe, die die dort gemalten, aber nicht geglückten Landschaften bedecken“. (Die Schauburg befand sich in der Nähe der Stadt Limburg in Rheinland-Pfalz, wo Amalias geliebte Großmutter Amalie von Nassau-Weilburg bis zu ihrem Tod 1841 lebte.)
Ungefähr einen Monat nach dem Einzug des Königspaares wurde der „Neue Palast“ zum ersten, aber keineswegs zum letzten Mal Schauplatz dramatischer politischer Ereignisse in der griechischen Geschichte. Vor dem Palast rangen die Revolutionäre des 3. September 1843 König Otto eine Verfassung ab, womit der Platz vor dem Palast seinen endgültigen Namen erhielt: Syntagma Platz, zu deutsch Verfassungsplatz.
Knapp zwanzig Jahre später führte dann die Revolution vom 10. Oktobers 1862 zur Entthronung Ottos und seiner Vertreibung aus Griechenland. Revolutionäre stürmten den Palast und der Sohn von General Makrygiannis, einem Veteranen des Freiheitskampfes, erbeutete die Krone aus dem Thronsaal und brachte sie seinem kranken Vater als Trophäe dar.
Ein Jahr später am 30. Oktober 1863 zog Georg I als Achtzehnjähriger in den Athener Palast ein und begründete damit die neue Dynastie der aus Dänemark stammenden Glücksburger.
Sieben Jahrzehnte lang blieb der Palast am Syntagma Platz Königssitz. In dieser Zeit erlitt er zwei Mal schwere Brandschäden. 1884 brannte der zweite Stock im Nordflügel nieder und der zweite, sehr viel zerstörerische Brand legte 1909 den gesamten Haupttrakt sowie Teile des Ost- und Westtraktes in Schutt und Asche. Die Königsfamilie zog damals vorübergehend in den Sommerpalast von Tatoi um und nach der Ermordung Georg I im Mai 1913 wurde der Palast des Thronfolgers und nunmehr Königs Konstantins I in der Irodou Attikou Straße zum neuen Königssitz.
In der darauffolgenden Zeit wurde der Alte Palast unterschiedlich genutzt - als Residenz von Königsmutter Olga, vor allem während ihrer stellvertretenden Regentschaft, als Krankenhaus während des Kleinasienfeldzuges, als Auffanglager von Flüchtlingen nach der Niederlage im Türkisch-Griechischen Krieg von 1922, in Griechenland die kleinasiatische Katastrophe genannt. 1929 beschloss schließlich die Regierung von Eleftherios Venizelos, das Parlament und den Senat in dem Gebäude unterzubringen.
Zur Umsetzung dieses Beschlusses wurden zwischen 1930 und 1935 entscheidende Umbauten nach Plänen des Architekten Andreas Kriezis vorgenommen. Kriezis hatte an der Technischen Universität in München studiert und war Vertreter eines neoakademischen Eklektizismus. Der halb verfallene Hauptflügel wurde bis auf die Grundmauern abgerissen und an seiner Stelle wurden Sitzungssäle für zwei gesetzgebende Kammern errichtet, wozu Stahlbetondecken eingezogen und für die Überdachung Stahlkonstruktionen mit Glas gewählt wurden. Auch auf der Nordseite errichtete man nun eine neoklassizistische Vorhalle mit sechs dorischen Säulen, um damit gewissermaßen ein Gleichgewicht zu den entsprechenden Säulengängen der übrigen Fassaden zu schaffen.
Im August 1934 wurde der Senat mit den beiden Kammern eingeweiht, der parlamentarische Plenarsaal im Juli 1935. Ein Jahr später wurden Senat und Parlament abgeschafft, der Senat endgültig, das Parlament für ein Jahrzehnt als Folge der Metaxas-Diktatur und der deutschen Besatzung.
Zwischen 1934 und 1989 hatte auch der Staatsrat seinen Sitz im Alten Palast und zweitweise unter anderen auch das Ministerium für Sicherheit von 1936 bis 1944 sowie der Generalstab der Armee 1940 bis 1941 und 1945 bis 1951.
Mit Ausnahme der Zeit der Militärdiktatur von 1967 bis 1974 aber ist der sogenannte Alte Palast seit 1946 vorwiegend Sitz des Griechischen Parlaments und des Kabinetts.