Jüdischer Friedhof

Aus goethe.de
Wechseln zu: Navigation, Suche
Jüdischer Friedhof. Photo: George Kogias © Goethe-Institut Thessaloniki

Jüdischer Friedhof (5:33)

Jüdischer Friedhof (5:33)


fileGRIECHENLAND COVER Thess 39c.jpg

Der jüdische Friedhof von Thessaloniki nahm außerhalb der östlichen Stadtmauer ein sehr großes Areal ein. Heute erstreckt sich dort der größte Teil des Campus der Aristoteles-Universität. Südlich davon lagen die osmanischen, nördlich die christlichen Friedhöfe.

Die Fläche, die der jüdische Friedhof einnahm, war enorm. Das lag daran, dass es aus religiösen Gründen verboten war, Tote zu exhumieren, was dazu führte, dass die Jüdische Gemeinde neues Gelände erwarb, um den Friedhof zu erweitern. In der Mehrheit der Gräber waren Juden bestattet, die sich in Thessaloniki angesiedelt hatten, nachdem sie während des 15. Jahrhunderts aus westeuropäischen Ländern vertrieben worden waren. Bei den Aushubarbeiten für die Fundamente der Universitätsgebäude wurden jedoch auch spätchristliche Grabstätten freigelegt, die unter anderem auch zu jüdischen Einwohnern der Stadt gehörten. Das verweist einerseits auf die kontinuierliche Nutzung des Geländes als Friedhof und andererseits auf eine ständige jüdische Präsenz in der gesamten historischen Vergangenheit Thessalonikis.

Jüdischer Friedhof. Photo: George Kogias © Goethe-Institut Thessaloniki

Auf dem jüdischen Friedhof gab es jahrhundertealte Gräber. Ihre Anzahl lag bei rund 400.000 Gräbern von Personen über 12 Jahren und ebenso vielen Kindergräbern. Der Friedhof hieß La Puerta Redonta, doch aufgrund seiner Größe bekamen auch die Teilbereiche Namen wie Puerta Tsika, La Cholera, La Cholera Grande, Elos Pinos.

Als die Einwohnerzahl stieg und sich die Stadt über die Stadtmauern hinaus erweiterte, ergaben sich durch die Friedhofsgelände Probleme, denn sie teilten die Stadt in zwei Teile. 1890 wurde beim Bau der Hamidiye-Straße (heute Ethnikis Amynis) ein Bereich des jüdischen Friedhofs entlang der Ostmauer enteignet. Nach dem Brand von 1917 schlug der mit der Neuplanung beauftragte französische Ingenieur und Städteplaner Ernest Hébrard vor, den Friedhof in einen Park zu verwandeln, um Platz für die Erweiterung der Universität zu schaffen und die Friedhöfe an einen anderen Ort zu verlagern. Trotz des Gesetzes zum Schutz von Friedhöfen wurde 1929 eine Teilfläche enteignet, um dort Flüchtlinge anzusiedeln. 1931 kam der griechische Staat auf den Vorschlag zurück, das Gelände zu enteignen und den Friedhof an einen neuen Ort zu verlegen. Nach der heftigen Gegenwehr der Jüdischen Gemeinde Thessalonikis wurde 1937 ein Kompromiss erreicht. Er sah vor, das Umbetten von Toten zu verbieten, das Areal sollte in einen Park umgestaltet werden und die Jüdische Gemeinde ein neues Gelände für ihren Friedhof erhalten.

Jüdischer Friedhof. Photo: George Kogias © Goethe-Institut Thessaloniki

1941 nahmen die Deutschen Thessaloniki ein, sowie auch ganz Griechenland. Im Jahr darauf wurden 9000 Thessalonicher Juden zur Zwangsarbeit in alle Landesteile geschickt. Einen Monat später verlangte Max Mertens (Staatsanwalt und Militärverwaltungsrat von Thessaloniki) von der jüdischen Gemeinde der Stadt die Zahlung eines extrem hohen Betrages, was den Zwangsarbeitern die Rückkehr ermöglichen sollte. Die Gemeinde kam nur für einen Teil des Betrages auf, den die Besatzungsbehörden forderten. Mertens drängte darauf, dass der übrige Betrag durch die Enteignung des Friedhofs beglichen werden sollte. Im Dezember 1942 stattete Mertens dem Friedhof einen Besuch ab, zusammen mit dem Generalgouverneur V. Simonidis, dem Oberrabbiner Koretz, dem Bauingenieur der Stadt, der den ganzen Prozess beschleunigte, und anderen. Mertens beschloss an Ort und Stelle, einen Teil des Friedhofs in der Nähe der Universität und des Viertels Saranta Ekklisies zu enteignen und den restlichen Friedhof und die Gräber der letzten 30 Jahre auf dem gesamten Gelände unangetastet zu lassen. Keiner dieser Beschlüsse wurde eingehalten! Wie der Rabbiner Michael Molcho, der Augenzeuge des Geschehens war, in seinem Buch In Memoriam berichtet, stieg Mertens danach in sein Auto und fuhr davon, während die griechischen Vertreter der Besatzungsbehörden anordneten, alles niederzureißen – von den ältesten Gräbern bis hin zu denen, die erst kürzlich angelegt worden waren. In der ersten Dezemberwoche zerstörte ein Arbeitertrupp unter Anweisung des leitenden städtischen Bauingenieurs Tausende von Gräbern, von denen viele aus dem 15. Jahrhundert stammten. Innerhalb von wenigen Tagen wurde die Geschichte von Jahrhunderten zunichtegemacht, was jedoch noch gering erscheint angesichts der Tragödie, die die 50.000 Juden der Stadt erwartete, für deren Vernichtung im Holocaust Mertens sorgte.

Die Aristoteles-Universität brachte zur Ehrung der einstmals zahlreichen jüdischen Gemeinde Thessalonikis, die ausgelöscht wurde, eine Gedenktafel an, die im Foyer ihres Veranstaltungssaals an die Thessalonicher griechisch-jüdischen Märtyrer und Helden erinnert.

Im November 2014 wurde auf dem Gelände des Universitätscampus, im Park des Observatoriums, ein Mahnmal zum Gedenken an den alten jüdischen Friedhof errichtet, der 1942 zerstört wurde.

Standort

Denkmal für den alten Jüdischer Friedhof an der Aristotelischen Universität von Thessaloniki (AUTH)
Park des Observatoriums der Aristotelischen Universität von Thessaloniki
Universitätscampus
Thessaloniki