Kurt Tucholsky – Pazifist an der Front

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Kurt Tucholsky als Soldat. Foto (Ausschnitt): Kurt Tucholsky Literaturmuseum

„Affenjacke“ nannte Kurt Tucholsky später die Uniform, in der er im Ersten Weltkrieg steckte. Der verhasste Krieg führte ihn nach Kurland, an das er sein Herz verlor und wo er seine große Liebe fand.

„Wie schön ist dieses Land“, schrieb Kurt Tucholsky (1890-1935) über Kurland im heutigen Lettland, wo der bekannte deutsche Publizist anderthalb Jahre seinen Kriegsdienst ableistete. Den Kampf im Schützengraben konnte er umgehen – und blieb stattdessen bei seinem Fach.

Durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde die beginnende Karriere des Schriftstellers und Journalisten jäh unterbrochen. Über die polnische und litauische Ostfront gelangte der Soldat Tucholsky 1916 an die Artillerie-Fliegerschule Alt-Autz (lettisch: Auce) in der damaligen russischen Ostseeprovinz Kurland. Hier führte er ein vergleichsweise ruhiges Soldatenleben in der Schreibstube und initiierte die Feldzeitung „Der Flieger“.

Marktplatz von Alt-Autz im Juli 1915 mit dem späteren Stabsgebäude der Artillerie-Fliegerschule. Das Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Foto: Privatsammlung von Wolfgang Sax

Anfänglich konnte Tucholsky der Zeitung noch seinen Stempel aufdrücken. Sein beliebtes „Welt- und Käseblatt“ unterhielt die Soldaten fernab der Heimat vor allem mit Anekdoten, Rätseln und Buchempfehlungen. Doch mit der Zeit habe er sich immer weniger dem Zwang entziehen können, „die Lügen und Verdrehungen des offiziellen Nachrichtendienstes abzudrucken“ und „nur noch mit dem größten Widerwillen“ an der Zeitung gearbeitet. Obwohl er später wegen eines von ihm verfassten Werbegedichts für Kriegsanleihen selbst in die Kritik geriet – der Krieg machte ihn zum Pazifisten und Ankläger.

Mary Gerold in Alt-Autz, 1918. Foto: Kurt Tucholsky Literaturmuseum

Mit seiner Versetzung 1918 nach Rumänien ließ Tucholsky nicht nur sein geliebtes Kurland zurück, sondern auch sein „Mätzchen“. Die aus Riga stammende junge Deutschbaltin Mary Gerold arbeitete als Hilfsdienstfreiwillige in Alt-Autz und hatte dem Feldzeitungsredakteur gehörig den Kopf verdreht. Nach dem Krieg heirateten sie 1924 in Deutschland. Auch wenn die Ehe nur neun Jahre hielt – „die kühle Blonde“ blieb für Tucholskys bis zum Tod die Liebe seines Lebens.

Standortinformation

Ehemaliges Stabsgebäude der Artillerie-Fliegerschule
Das Stabsgebäude der Artillerie-Fliegerschule, in dem auch das Geschäftszimmer des „Flieger“ untergebracht war, wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Es befand sich am früheren Marktplatz, heute:
Aspazijas laukums
Auce, LV–3708

LETTLAND

Deutsche Spuren in Lettland

Ein Projekt des Goethe-Instituts Lettland.
Autorin: Katrin Wolschke