Deutsch-lettisches Leben im Mentzendorff-Haus

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Das Mentzendorff-Haus von außen. Foto: Udo Bongartz

Im Mentzendorff-Haus wurden einst Handwerkskunst und „süße Sünden“ aus aller Welt angeboten. Heute beherbergt es Ausstellungen und einen deutsch-lettischen Kulturverein.

Die lettische Hauptstadt Riga hat das Bild der deutsch geprägten Hansestadt bis heute bewahrt. Die stummen Zeugen des einstigen Einflusses niederdeutscher Kaufleute sind die prächtigen Gilde- und Bürgerhäuser, die das Bild der Rigaer Altstadt prägen und die Blütezeit der Ostseemetropole lebendig werden lassen.

Nur wenige Meter vom Rathausplatz entfernt zeugt das Mentzendorff-Haus vom einstigen Wohlstand der Kaufleute. In einem der ältesten Wohn- und Geschäftshäuser der Stadt können Besucher heute einen Eindruck von der bürgerlichen Wohnkultur und dem Leben im alten Riga erhalten. Als Sitz des deutsch-lettischen Kulturvereins Domus Rigensis ist das Gebäude zudem auch ein Ort der Begegnung und des Miteinanders.

Errichtet wurde das weiß verputzte Gebäude mit hohem Satteldach und markanten Fenstern Ende des 17. Jahrhunderts vom betuchten Glasermeister Jürgen Helm, der darin auch seine Werkstatt eingerichtet hatte. In den Kellergewölben sind heute noch historische Gläser ausgestellt. Manchmal kann auch Glaskünstlern bei der Arbeit zugeschaut werden.

Später diente das gut erhaltene Gebäude, das über mehrere Speichergeschosse und eine spitz zulaufende Giebelseite mit Lastenwinde verfügt, wechselnden Zwecken und hatte verschiedene Besitzer. Benannt ist es nach den letzten Eigentümern – der Kaufmannsfamilie Mentzendorff. Diese lockte mit Feinkost und Delikatessen in die damalige Sünderstraße (heute Grēcinieku iela): Kaffee, Schweizer Schokolade und hochprozentigem Likör.

Doch 1939 musste die Familie wie viele andere Deutschbalten ihre Heimat verlassen und wurde nach Polen umgesiedelt. Denn Adolf Hitler holte nach seinem Geheimpakt mit Josef Stalin all jene „heim ins Reich“, die in der NS-Sprache statt der geläufigen Bezeichnung „Deutschbalten“ propagandistisch „Baltendeutsche“ genannt wurden. Auch zu Sowjetzeiten war die Erinnerung an die deutschbaltische Vergangenheit aus politischen Gründen ein Tabu.

Nach dem Zweiten Weltkrieg bewohnten verdiente Mitarbeiter der Eisenbahn das historische Gebäude, in dem Kommunalwohnungen eingerichtet wurden. Später stand das Haus leer und verwahrloste. Erst Ende der 1980er Jahre wurde es auf Initiative der Stadt Riga restauriert und nach der erneuten lettischen Unabhängigkeit 1991 als Museum wiedereröffnet.

Zimmer eines jungen Mädchens. Foto: Renāte Rapša © Mencendorfa nams

Heute kann in den Zimmern der oberen Etagen das Leben einer deutschbaltischen Patrizierfamilie vor 300 Jahren nachempfunden werden. Neben dem Laden, der Küche, einem Gäste-, Dichter- und Mädchenzimmer gibt es auch einen Tanzsalon und eine Familienkapelle in der Wohnung zu besichtigen. Auch die Decken- und Wandmalereien aus jener Zeit sind original erhalten. In der großen Dachkammer werden monatlich wechselnde Ausstellungen gezeigt.

Geschäftsraum im Erdgeschoss. Eichenholztisch des Kassenkollegiums des Rigaer Rates. Foto: Vilmārs Katlaps © Mencendorfa nams

Seit 1992 befindet sich im Mentzendorff-Haus auch ein deutschbaltisch-lettisches Begegnungszentrum, das auf Anregung des Architekten Pēteris Blūms eingerichtet wurde. Dazu wurde der Kulturverein Domus Rigensis (lateinisch: Rigaer Haus) gegründet, der heute mehr als 200 Mitglieder aus Deutschland und Lettland zählt. Mit zahlreichen Veranstaltungen erinnert der Verein an das gemeinsame deutschbaltisch-lettische Erbe. Höhepunkt sind in jedem Jahr die Domus-Rigensis-Tage Anfang Juli.

Standort- und Besucherinformation

Mentzendorff-Haus
Rīdzinieku māja-muzejs. 17.-18.gs.
Grēcinieku iela 18 (Eingang von Kungu iela)
Rīga, LV–1050
LETTLAND

Link

Deutsche Spuren in Lettland

Ein Projekt des Goethe-Instituts Lettland.
Autor: Udo Bongartz