Deutsches Kino mit Lettland-Kulisse: Das Blaue vom Himmel

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Karoline Herfurth und Juta Vanaga bei Dreharbeiten von „Das Blaue vom Himmel“ in der Wäscherei-Kulisse in der Miesnieku iela in Riga. Foto: Jürgen Olczyk © die film gmbh

Es ist das Drama einer Lebenslüge. Der deutsche Kinofilm „Das Blaue vom Himmel“ erzählt zugleich ein Kapitel lettischer Geschichte. Gedreht wurde auch an Originalschauplätzen in Riga.

Hannelore Elsner spricht Lettisch. Für den Kinofilm „Das Blaue vom Himmel“ hat die bekannte deutsche Schauspielerin ein paar Brocken gelernt. In dem 2010 gedrehten Familiendrama spielt sie Marga Baumanis, eine in Deutschland lebende Deutschbaltin, die mit ihrer beginnenden Demenz und den Fehlern ihrer Vergangenheit kämpft. Ihre Tochter Sofia, verkörpert von Juliane Köhler (Nirgendwo in Afrika), reist mit ihr nach Riga, um in der Heimat der Mutter dem dunklen Familiengeheimnis auf den Grund zu gehen.

Die Handlung des Dramas spielt in den Umbruchzeiten 1991. Als Marga und Sofia in Lettland eintreffen, überschlagen sich die politischen Ereignisse. Die nationale Freiheitsbewegung im Baltikum droht die Sowjetunion zum Einsturz zu bringen. Die ganze Welt blickt gespannt auf den unbewaffneten Kampf der drei Ostseestaaten gegen die sowjetische Unterdrückung. Dem 1969 in der Schweiz geborenen Regisseur Hans Steinbichler (Das Tagebuch der Anne Frank) war es ein persönliches Anliegen, die Geschehnisse der Wendejahre filmisch wieder aufleben zu lassen. Die für den Deutschen Drehbuchpreis nominierte spannungsreiche Geschichte des Autorenpaares Robert und Josephin Thayenthal überzeugte ihn sofort. Die historischen Szenen wurden an Originalschauplätzen in der Rigaer Altstadt gedreht. Anders als 1991 war die lettische Hauptstadt im Winter 2010 allerdings in eine meterdicke Schneedecke gehüllt. Unablässig musste das Filmteam zur Schippe greifen und die Schneeüberreste mit warmem Gebläse zum Schmelzen bringen.

Dreharbeiten zu „Das Blaue vom Himmel“ am Schwedentor in Riga. Foto: Jürgen Olczyk © die film gmbh

Die Zusammenarbeit mit den lettischen Filmkollegen und Statisten stellte sich als Glücksfall für die deutsche Produktion heraus. Viele aus dem Team waren Zeitzeugen und im Januar 1991 dabei, als die Zivilbevölkerung zum Schutz der ein Jahr zuvor eingesetzten unabhängigen Regierung Barrikaden vor dem Parlament, dem Radio und anderen wichtigen Gebäuden Rigas errichtete. Aus dem ganzen Land strömten die Menschen in die Hauptstadt und verbarrikadierten mit Fahrzeugen, Sandsäcken, Baumstämmen und allem, was sie herbeischaffen konnten, den Zugang zur Altstadt vor Zugriffen des sowjetischen Militärs. Über mehr als zwei Wochen (vom 13. bis 27. Januar 1991) harrten sie bei Wind und Wetter an Lagerfeuern hinter den Barrikaden aus, organisierten Feldküchen und Lazarette und sangen ihre Lieder.

Eine realistische Darstellung der Geschehnisse lag den Letten sehr am Herzen. Viele der fast 400 Komparsen brachten Original-Requisiten und -Kostüme mit ans Set. „Während der Dreharbeiten kamen die Erinnerungen wieder hoch, manche Zuschauer hatten Tränen in den Augen“, erinnert sich Ivo Ceplevics von der lettischen Produktionsfirma Film Angels. Am Drehort vor dem Parlament gedenkt seit 2007 ein kleines pyramidenförmiges Denkmal dem Mut der Bevölkerung und den fünf Todesopfern, ein Barrikaden-Museum wurde bereits 2001 in der Altstadt eingerichtet.

Barrikaden-Denkmal in der Rigaer Altstadt. Foto: Katrin Wolschke

Parallel erzählt der Film in Rückblenden die Geschichte der jungen Marga, gespielt von Karoline Herfurth (Fack ju Göhte). In den 1930er Jahren lebt die lebenslustige Frau verliebt mit ihrem Mann Juris im Ostseebad Jūrmala bei Riga. Doch der schöne Schein trügt. Juris` Herz gehört der Lettin Ieva, für die er seine Frau schließlich verlässt. Stück für Stück setzt der Zuschauer die Puzzelteile um Margas schreckliches Geheimnis zusammen. In den Wirren des Zweiten Weltkrieges denunziert sie ihre Nebenbuhlerin bei den russischen Besatzern. Unschuldig wird Ieva nach Sibirien deportiert und Juris kehrt verzweifelt mit seiner Tochter Sofia, die sich überraschend als Ievas Kind herausstellt, zu seiner Frau zurück. Marga, die nie Muttergefühle für das fremde Kind entwickeln kann, wird in Zukunft trotzdem alles daran setzen, die Spuren zu Sofias leiblicher Mutter zu verwischen.

Vor dem Parlament in Riga fanden ebenfalls Dreharbeiten statt. Foto: Katrin Wolschke

Neben der vornehmlich deutschen Besetzung mit vielen bekannten Gesichtern übernahmen zwei renommierte lettische Schauspielerinnen die schicksalhafte Rolle von Margas Rivalin. Juta Vanaga spielt die junge Ieva, die Ältere wird von Dace Eversa dargestellt. Ebenfalls aus Lettland ist der musikalische Filmbeitrag. Wie ein roter Faden durchzieht die von der Folkloregruppe „Svātra” aus Daugavpils gesungene Volksweise „Aizkryta sauleite“ die Geschichte.

Die politischen Begebenheiten Lettlands der 1930er, 40er und 90er Jahre dienen dem Melodrama geschickt als Kulisse für die schwierige Mutter-Tochter-Beziehung von Marga und Sofia und ihre persönlichen Schicksale. Der Film möchte von „der Unmöglichkeit des Vergessens und der Kraft des Verzeihens” erzählen – eine in der lettischen Geschichte wohl nicht unbekannte Thematik. Zwei Jahrzehnte nach den Ereignissen der Barrikaden startete „Das Blaue vom Himmel“ im Juni 2011 in den deutschen Kinos. Die lettischen Zuschauer bekamen den mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichneten Film unter dem Titel „Zvaigznes no debesīm“ im Fernsehen zu sehen.

Standortinformation

Parlament (Saeima) und Barrikaden-Denkmal
Jēkaba iela 11
Rīga, LV–1050

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Deutsche Spuren in Lettland

Ein Projekt des Goethe-Instituts Lettland.
Autorin: Katrin Wolschke