Das erste Hochhaus Moskaus des Architekten Nirnsee

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Das erste Hochhaus Moskaus © Aleksandr Pimenov

1912 kaufte der deutschstämmige Architekt Ernst Karlowitsch Nirnsee ein Grundstück und in zwei Jahren errichtete er darauf Moskaus erstes Hochhaus: ein 9-stöckiges Mietshaus, auch „Haus der billigen Wohnungen“ genannt. Es bestand hauptsächlich aus Kleinwohnungen ab 28 Quadratmetern mit einem Zimmer, Flur und WC und aus größeren Wohnungen mit etwa 50 Quadratmetern. Für die Essenzubereitung war eine Kochnische vorgesehen. An der Vorderseite befanden sich Zimmer für Bedienungspersonal, Küchen und Wirtschaftsräume. Auf dem umzäunten Flachdach wurde ein Speisesaal errichtet. Dort wurde ein Drehpavillon des Filmstudios W. Wengerow und W. Gardin eingerichtet.

Das erste Hochhaus Moskaus: Eingang ins GITIS (Staatsinstitut für Theaterkunst) © Aleksandr Pimenov

Der Werbung zufolge durfte auch die Öffentlichkeit mit dem Aufzug für 20 Kopeken auf das Dach fahren, um im Sommer „die Bergluft einzuatmen und den breiten Horizont zu bewundern“. Auf dem Flachdach konnte man in einem Cafe sitzen, ein Kino besuchen oder ein Orchesterkonzert hören. Im Keller gab bis 1918 das Kabaretttheater "Fledermaus" Aufführungen. Später befanden sich unterschiedliche Theater in diesem Haus, jetzt ist es GITIS.

Das erste Hochhaus Moskaus © Aleksandr Pimenov

Ernst Richard Karlowitsch Nirnsee (oder Nirensee) kam mit seinem Bruder Karl 1898 aus Warschau nach Moskau. 1900 wurde Nirnsee zur Arbeit im Bereich Zivilbauwesen zugelassen. Er hatte ein eigenes Architekturbüro in Moskau, baute Dutzende Mietshäuser, auch Hochhäuser. Nirnsee war leidenschaftlicher Autofreund, Mitglied des Moskauer Automobilvereins und nahm an einer der ersten Autotouren Moskau-Jaroslawl-Moskau teil.

Das erste Hochhaus Moskaus © Aleksandr Pimenov

Wegen der antideutschen Ausschreitungen während des Ersten Weltkriegs verkaufte Nirnsee sein Haus 1915 an den Banker D. Rubinstein und ging anscheinend ins Ausland. Dort verlieren sich die Spuren des Architekten. 1917 wurde das Haus nationalisiert, ins 4. Haus des Mossowjet umbenannt und es etablierten sich dort Beamte und im oberen Geschoß die Redaktionen von Zeitungen und Magazinen, darunter die Moskauer Ausgabe der Berliner Zeitung „Am Vortag“. Im Februar 1929 lernte der Schriftsteller Michail Bulgakow in einer der hiesigen Wohnungen seine künftige Ehefrau Elena Sergejewna Schilowskaja kennen, das Vorbild für die Hauptheldin seines Romans „Meister und Margarita“. In diesem Haus gab es auch einen Kindergarten, dessen Kinder auf dem Dach spazieren gingen, weil es keinen Hof gab.

Standortinformationen

Das erste Hochhaus Moskaus des Architekten Nirnsee
Moskau, Bolschoi-Gnesdnikowski-Gasse 10
 

In Kooperation mit dem AOV „Internationaler Verband der deutschen Kultur“

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