Die Apotheke von Ferrein

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Das Gebäude der Apotheke von Ferrein an der Nikolskaja-Straße © Batanai Schamu

Dieses prachtvolle Gebäude mit vier Statuen der Göttin Hygieia als Schutzpatronin der Apotheker wurde 1899 für die private Stadtapotheke der Ferreins nach Plänen des Architekten schwedischer Herkunft Adolf Erichson gebaut. Auf der Seite der Nikolskaja-Straße ist das Haus im Neobarockstil konzipiert, auf der Rückseite ist es im pseudogotischen Stil gehalten und sieht aus wie eine Ritterburg mit einem Turm, auf dem früher eine Uhr platziert war.

Der Gründer der Apotheke, Karl Ferrein, kam in den 1820er-Jahren aus der preußischen Stadt Arnswald nach Moskau. Im Jahr 1832 erwarb er ein Haus in der Nikolskaja-Straße, um dort Medikamente zu verkaufen. Im Jahr 1862 brachte Ferrein seine Apotheke in dem gegenüberliegenden Gebäude unter, das er dem Kaufmann Konstantin Schildbach abgekauft hatte.

Eingang und Schaufenster der ehemaligen Apotheke © Batanai Schamu

Nach dem Tod von Karl Ferrein leitete sein Sohn Wladimir das Familienunternehmen. Er wurde 1834 geboren und erhielt seine Elementarbildung zu Hause, wo er zusammen mit seinem Vater in der Apotheke arbeitete. Danach bestand Ferrein erfolgreich die Prüfungen und wurde zum Apothekenhelfer und dann zum Provisor an der Moskauer Universität, absolvierte ein Praktikum im Labor des Chemieprofessors Büchner in München und kam dann nach Russland zurück, wo er seine Masterarbeit in Pharmazie verteidigte. Wladimir Ferrein leitete anschließend die Moskauer Pharmaziegesellschaft und die Rentenkasse der Pharmazeuten.

In den 1880er-Jahren baute Wladimir Ferrein die Apotheke in der Nikolskaja-Straße um: Das alte Apothekengebäude ist bis heute erhalten geblieben. Am Eingang befand sich ein riesiger ausgestopfter Braunbär. Im Empfangszimmer gab es eine Fontäne, es roch nach französischem Parfum. In den geräumigen Sälen hingen Spiegel in vergoldeten Rahmen, es gab massive, mitunter vergoldete Vasen und geschnitzte Eichenschränke, Marmortreppen, Kandelaber, Statuen, offene und verglaste Regale mit Behältern, Flaschen und Kolben. Die Räume waren mit ausgestopften Krokodilen, die an der Decke hingen, und Nashornhörnern geschmückt. Die Türen der Apotheke waren für alle geöffnet – für die Reichen und für die Armen. In der Apotheke wurden spezielle Laborräume für die Untersuchung der importierten Medikamente und die Herstellung eigener Präparate eingerichtet: Hier wurden Forschungen, Obduktionen, Balsamierungen, Analysen der Böden, der Nahrungsmittel, der chemischen Produkte und des Wassers durchgeführt, hier fanden praktische Pharmazielehrveranstaltungen statt und es wurde neues Personal ausgebildet.

Die Apotheke von Ferrein war die größte in Europa und hatte einen unbescholtenen Ruf in Bezug auf die Einrichtung und das Verhalten zu den Angestellten und Lehrlingen. Im Jahr 1881 führte der Inhaber eine Neuerung ein, um die Mitarbeiter zu belohnen: Er gab ihnen die Möglichkeit, sich an den Unternehmenseinnahmen zu beteiligen. Nach der Revolution von 1917 und der Verstaatlichung der Firma zur „Genossenschaft W. Ferrein“ arbeitete Wladimir Ferrein in seiner ehemaligen Apotheke als Lagerhalter. Im Jahr 1918 starb er an einem Herzinfarkt auf der Krim, der Ort seiner Bestattung ist unbekannt.

In der Sowjetzeit wurde die staatliche Apotheke als Zentrale Apotheke oder Apotheke Nr. 1 bekannt, zur gleichen Zeit wurden das Pyramidendach und die Uhr von Turm abgebaut (an ihrer Stelle befindet sich heute ein rundes Loch). In der Apotheke konnte man jedes Medikament kaufen: Sie war immer dienstbereit und sogar nachts geöffnet, was für diese Zeit selten war. Heute beherbergt das Gebäude das Nobelrestaurant „Baccarat“ und ein Geschäft für teures Kristall.

Standortinformationen

Die Apotheke von Ferrein
Moskau, Nikolskaja-Straße 19/21
 

In Kooperation mit dem AOV „Internationaler Verband der deutschen Kultur“

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