Hotel „Wolga“ / „Astoria“ (Kirow-Prospekt, 34), Saratow

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Das Hotel „Wolga“ (ehem. „Astoria“) in Saratow © Alexander Milewskij, 2021

Das Hotel „Astoria“ (heute Hotel „Wolga“) ist eines der markantesten Werke der „deutschen“ und städtischen Architektur von Saratow. Das Hotel befindet sich auf der Fußgängerstraße (in der ehemaligen Nemezkaja-Straße, heute Kirow-Prospekt) in ihrem zweiten Viertel und wurde von demselben Meister geschaffen, der durch das Projekt des Konservatorium-Gebäudes berühmt wurde – Semjon Kallistratow.

Hotel „Astoria“ wurde etwas später als das Konservatorium, von 1913–1917, entworfen und gebaut. Es ist erstaunlich, dass der Architekt nichts von seinem vorherigen erfolgreichen Projekt wiederholte, obwohl er das Arrangement des deutschen Themas fortsetzte. Er griff zu einer anderen Methode und anderen Werkzeugen: Die romantische und etwas gezierte Gestalt, die durch die zahlreichen neugotischen Zitate geschaffen war, wird durch zweckvolle, rationale Architektur abgelöst.

Das Hotel „Wolga“ (ehem. „Astoria“) in Saratow © Alexander Milewskij, 2021

Doch die mathematische Exaktheit der Proportionen und harte hierarchische Ordentlichkeit der Details und Formen beeinträchtigen das Ergebnis keinesfalls: Die Rationalität führt nicht zur Trockenheit und Kargheit, sondern zur Monumentalität und Dramatik dieses Bauwerks. Einen absoluten Respekt verdient der Architekt, der der Versuchung, einen altbewährten Weg zu gehen und in der Planung des Hotels das Konservatorium-Gebäude zu wiederholen, widerstehen konnte.

Semjon Kallistratow erfand für „Astoria“ ein System von Zierelementen, eine Art Firmenstil. Die Details und Fragmente (Dachflächenfenster, Gesimse), Linien und Figuren des Ornaments (Dreiecke, Quadrate, reliefartige Profile der Pfeiler) wurden aus verschiedenen Stilen und Kulturen übernommen, aber in einheitlicher Weise neu gezeichnet. Die Schlüsselform – ein aus dem Quadrat gewachsenes Fünfeck – findet sich in den Enden der Pfeiler und Fenster, in der Form der Bedeckung der Türme und in der Silhouette der Dachgeschosse und Brandmauern wieder. Durch die Geometrie der quasi gezeichneten Fassade von „Astoria“ lässt sich dieses Gebäude als ein für Saratow einzigartiges Beispiel der Annäherung an Art Déco bezeichnen – eine künstlerische Richtung der 1920er und 1930er Jahre, die in den russischen Provinzstädten fast nicht vertreten ist.

Das Hotel „Wolga“ (ehem. „Astoria“) in Saratow © Alexander Milewskij, 2021

Übrigens hat neben der Geometrie auch die Plastik Platz gefunden: Auf den Pfeilern neben dem zentralen Turm stehen Ritterskulpturen, und neben den symmetrischen Seitenpfeilern sind es junge, athletische Boten. Die örtlichen Reiseführer erzählen, dass erstere die Ruhe der Hotelgäste bewachen und letztere bereit stehen, um jeden Wunsch zu erfüllen. Die Schöpfer der Figuren waren der örtliche Bildhauer N. Bogoslowskij und seine Assistenten – der Stuckateur V. Fjodorow und der Lehrling P. Dunduk.

Das Hotel „Astoria“ wurde für die Gäste Anfang 1917 eröffnet, doch schon einige Monate später wurde das Gebäude von verschiedenen Einrichtungen des jungen sowjetischen Staates besetzt. 1925 wurde die ursprüngliche Funktion des Gebäudes wieder in Gang gesetzt, 1956 wurde das Hotel umbenannt: Heute heißt es Hotel „Wolga“. Erwähnenswert ist, dass in den 1990er Jahren auf einer der Etagen des Gebäudes das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Saratow untergebracht war.

Text

Prof. Dr. Sergey Terekhin, Prof. Dr. Olga Litzenberger

Standortinformationen

Hotel „Wolga“ / „Astoria“ (Kirow-Prospekt, 34), Saratow
Saratow, Volzhskaia Str. 32
 

In Kooperation mit dem Bayerischen Kulturzentrum der Deutschen aus Russland e. V. (BKDR)

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