Moskauer Postamt. Kaiserlicher Telegraf.

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Moskauer Postamt. Kaiserlicher Telegraf. © Batanai Schamu

Die Geburtsstunde der geregelten Postzustellung in Russland reicht bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts zurück. Zuvor wurden Briefe und Sendungen über weite Entfernungen und ins Ausland von Boten, Bediensteten und Postkutschern direkt vom Absender an den Empfänger geliefert. Zur Zeit Peters des Großen fand die Weiterentwicklung der Postkommunikation statt: Die ersten Postämter wurden in Moskau (1711), Riga (1712) und Petersburg (1714) gegründet, in vielen Städten entstanden Poststellen. Im Jahr 1721 führte Peter I. den Posten des Generalpostdirektors (Generalpostmeisters) ein, dem er Post- und Postilliondienste (Güter- und Personenbeförderung) unterordnete: 1782 wurden sie schließlich assoziiert. Infolge dieser Reform erhielten die Postämter eine klare hierarchische Struktur. Die obersten Behörden waren Postämter, Gouvernementpostmeister waren ihnen unterstellt, und den Gouvernementpostmeistern waren Kreispostmeister untergeordnet. Poststationen waren die untersten Behörden der lokalen Postverwaltung.

Das Moskauer Postamt befand sich im Laufe der Historie an verschiedenen Orten. Anfangs war die Post nur dafür zuständig, die Korrespondenz ins Ausland zu schicken, und deshalb wurde sie im Volksmund und dann auch in offiziellen Dokumenten als „deutsch“ bezeichnet. Danach, bis zum Jahr 1742, befand sich das Moskauer Postamt in der Deutschen Siedlung, weshalb die heute existierenden Straßen Bolschaja Potschtowoja und Malaja Potschtowoja („Große Poststraße“ und „Kleine Poststraße“) genannt wurden. Später zog das Postamt in das Gebäude in der Mjasnitskaja-Straße (Haus 40) um.

Der erste Direktor des Moskauer Postamtes war der Deutsche Thomas Fademrecht, ehemaliger Helfer des Postmeisters. Später wurde der Sachse Wolfgang (Wladimir) von Pestel zum Postdirektor ernannt, der bis zu seinem Tod am 26. April 1763 im Amt war. Die Stellung des Moskauer Postdirektors wurde in der Familie Pestel erblich. Sie leiteten das Moskauer Postamt bis 1798: zuerst Boris (Burkhard Wolfgang) Pestel und dann Iwan Pestel, Vater des Dekabristen Pawel Pestel.

Moskauer Postamt. Kaiserlicher Telegraf. © pastvu.com/49506

Ende des 18. Jahrhunderts zogen das Moskauer Postamt und der letzte Angehörige der Familie Pestel im Amt des Postdirektors in ein Gebäude in derselben Straße um, in der sich das derzeitige Postamt befindet. Mjasnizkaja Straße war eine der wichtigsten Verkehrsadern im zaristischen Moskau. Von hier aus zählte man Wersten, das ist ein eigenartiger Nullkilometer der Hauptstadt. Das Eckhaus Nr. 2 am Tschistoprudni Boulevard war ab 1858 eine Postkutschenstation. Die Lage war sehr vorteilhaft für die Verkehrsverbindung, weshalb im Hof eine Passagier- und Postkutschenstelle eingerichtet wurde. In den 1860er-Jahren wurde das alte Gebäude des Moskauer Postamtes nach den Plänen von A. Kawos umgebaut. Das moderne Gebäude in der Mjasnitskaja Straße wurde 1912 nach dem Entwurf des Architekten Oskar Munz (Sohn des Generalkonsuls der Niederlande) erbaut. Und genau in diesem Gebäude wurde auch der Kaiserliche Telegraf eingerichtet. Speziell der Telegraf spielte eine entscheidende Rolle in der Entwicklung von Siemens, dank der Verlegung von Fernschreibleitungen in Russland verwandelte sich die deutsche Werkstatt „Siemens und Halske“ in einen internationalen Konzern.

1853 kommt der 24-jährige Carl nach Sankt Petersburg und lernt sofort Pjotr Kleinmichel kennen (Leiter der russischen Telegrafenagentur). Der Beamte hat dem jungen „preußischen Ingenieur“ zurückhaltend begegnet. Dann übernimmt Carl den ersten Probeauftrag zur Verlegung einer Fernschreibleitung vom Winterpalast bis Kronstadt. Das Kabel wurde im Abflussrohr verlegt, deswegen wurden keine Außenarbeiten durchgeführt. Danach schimpfte Kleinmichel auf seine Offiziere, dass ein „bartloser Bursche“ die Aufgabe gekonnt gemeistert hat, die sie jahrelang nicht lösen konnten. Übrigens war diese Fernschreibleitung eine der ersten Unterwasserleitungen in der Welt.

1853 beginnt der Krimkrieg. Und Siemens verpasst nicht diese Chance. Man übernimmt den Auftrag „Warschau – Sankt Petersburg“ (190 Tausend Rubel). Der Betrag ist nicht groß, aber man versichert, dass die Firma weiter Aufträge bekommen wird und auf den Markt keine Wettbewerber zugelassen werden. Die Leitung wurde in 6 Wochen verlegt! 1853 – 1855 hat Siemens in Russland 9 000 km Fernschreibleitungen verlegt, das ist mehr, als während der ganzen Geschichte des Unternehmens. In diesen Jahren war die Firma ausschließlich in Russland tätig. Werner schrieb: „Carl macht alles perfekt, er hat in Russland Fuß gefasst.“ Das Gesellschaftskapital vergrößerte sich dank dem russischen Markt sechsfach. Hier sind nur die Fernschreibleitungen aufgelistet, die vom Unternehmen in Russland verlegt wurden: Sankt-Petersburg – Moskau – Krim; Moskau – Kiew – Odessa und weiter Richtung Sewastopol; Sankt-Petersburg – Kronstadt, teilweise wurde die Leitung am Meeresgrund verlegt; Leitungen Richtung Finnland, Warschau, Riga und Tallinn und weiter Richtung Westeuropa.

Siemens Zeigertelegraf © Siemens Fotoarchiv

Täglich erhielt der Kaiser Nikolaus I. einen fernschriftlichen Bericht aus Warschau. Das Verhalten gegenüber der Neuheit war enorm. Der Zar ordnete sogar an, das Bedienungspersonal mit der Uniform zu versorgen. In Sankt Petersburg gründete Siemens die Schule der Fernschreiber.

Der finanzielle Erfolg in Russland war in der ersten Linie damit verbunden, dass Carl mit Russland langfristige Verträge für technische Wartung abschließen konnte. Für eine operative Beseitigung der Leitungsunterbrechung brauchte man einen Aufseher pro 10 km. Man benötigte auf solche Weise rund 1 000 Aufseher! Dann hat Carl folgendes erfunden: statt Aufseher auf den Leitungen Strommessgeräte weit auseinander zu installieren. Mit deren Hilfe konnte man einen ausgefallenen Teil der Leitung schnell finden und reparieren. Auf dem in 50 Wersten lange Abschnitte aufgeteilten Leitungsstrang wurden ein Wecker und ein Strommesser montiert, durch die Bewegung eines Pfeils konnte der Wächter erkennen, ob der Strom in den Leitungen läuft.

1857/58 brach in Europa die Finanzkrise aus, viele junge Geschäftsleute gingen pleite und mussten raus aus dem Spiel. Inzwischen konnte Siemens diese Zeit ohne große Sorgen durchleben und weiter an neuen technischen Erfindungen arbeiten.

Standortinformationen

Moskauer Postamt. Kaiserlicher Telegraf.

Moskau, Mjasnitskaja-Straße 26 A, Gebäude 1

Kooperationspartner

Siemens

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