Moskauer Werk für Elektrolampen (MELZ)

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Moskauer Werk für Elektrolampen (MELZ) © Alexandr Pimenow

Im Jahr 1906 baute der Sohn eines Kaufmanns aus Samara, Naum Kolmanok, die erste Werkstatt zur Herstellung von elektrischen Lampen in Russland auf. Die Produktion war so erfolgreich und gefragt, dass bereits nach einem Jahr auf Grundlage der Werkstatt eine Fabrik organisiert wurde, die Glühbirnen für die Beleuchtung herstellte – mehr als 300.000 Stück pro Jahr! Das Unternehmen arbeitete mit importierten Werkstoffen; Einzelteile wurden ebenfalls aus dem Ausland geliefert, in erster Linie aus Deutschland. Ebenso standen in den Werksabteilungen in Deutschland, Holland und den USA neuste gekaufte Ausrüstungen. Zudem übernahmen deutsche Fachkräfte die technische Leitung im Werk.

Moskauer Werk für Elektrolampen (MELZ) © Alexandr Pimenow

Im Jahr 1913 schloss sich die Fabrik von Kolmanok mit der Fabrik von Kudrin „Svet“ zusammen, die seit 1910 in Moskau produzierte. Das gemeinsame Unternehmen erhielt die Bezeichnung „Russische elektrische Lampe“. Dieses wiederum schloss sich 1915 der Genossenschaft der russisch-französischen Werke „Provodnik“ an, die während des Ersten Weltkrieges aus Riga evakuiert wurde. „Provodnik“ kaufte ein Grundstück am Stadtrand von Moskau auf, in der Nähe der Mündung des Flusses Khabilovka in die Jausa, in der heutigen Elektrozavodskaya Ulitsa. Hier begann der Bau eines neuen riesigen Komplexes im Geiste der deutschen Gotik nach einem Projekt des Architekten Georgi Jevpanov. Das Werk sollte an ein gotisches Schloss mit Rosen-Fenstern und gestreckten Türmen erinnern. Jedoch gelang es unter den Bedingungen des Ersten Weltkrieges und der darauf folgenden Revolution und dem Bürgerkrieg in Russland nicht, diesen Plan vollständig umzusetzen. Das Gebäudeskelett wurde fertiggestellt und ergänzt durch einige pseudogotische Elemente im Eckbereich, welcher den Haupteingang in das Werk markierte. Die restlichen Fassaden wurden in einem vereinfachten Stil ausgeführt.

Moskauer Werk für Elektrolampen (MELZ) © Siemens Fotoarchiv

Die Fertigstellung des Gebäudes leitete der Architekt Georgij Schichanow. 1926 wurde hier das Werk „Metallist“ untergebracht, anschließend „Projektor“. Am 4. November 1928 fand die offizielle Inbetriebnahme des Moskauer Elektrozavod unter Teilnahme von Valerian Kuibyschew, dem Vorsitzenden des Obersten Rates für Volkswirtschaft, statt. Die neue Anlage wurde geschaffen auf Beschluss des Staatlichen elektrotechnischen Trusts (GET), der Ende 1925 für die Sicherstellung des Plans der Staatlichen Kommission für die Elektrifizierung Russlands gefasst wurde. Unter dessen Namen wurden alle Moskauer Werke für Elektrolampen vereinigt. Bis 1932 lieferte das Moskauer Elektrozavod Transformatoren für Dutzende Kraftwerke und die größten Baustellen der ersten Fünf-Jahres-Pläne: DneproGEZ, MagnitoStroj, Fahrzeugwerk Gorkij, Traktorenwerke in Charkow, Stalingrad und Tscheljabinsk, Mähdrescherwerk Saratow, DonbasStroj und die erste elektrifizierte Strecke der Transkaukasischen Eisenbahn.

Moskauer Werk für Elektrolampen (MELZ) © Alexandr Pimenow

Neben den einheimischen Arbeitern waren im Moskauer Elektrozavod auch Fachkräfte tätig, die aus Deutschland kamen. Anfang der Dreißigerjahre waren in der UdSSR mindestens 20.000 hochqualifizierte ausländische Arbeiter und Meister beschäftigt; im Wesentlichen Wirtschaftsflüchtlinge, die mit ihren Familien in die Sowjetunion gekommen waren. Eine der größten ausländischen „Kolonien“ bildeten die Deutschen, die im Moskauer Elektrozavod arbeiteten. Durch ihr Mitwirken wurden 1937 die Lampen für die Beleuchtung der Rubin-Sterne auf den Türmen des Moskauer Kremls gefertigt. In dieser Zeit kam es jedoch auch zu Konflikten. Ein Archivdokument vom Oktober 1931 vermerkte: „Die hochqualifizierten Arbeiter Deutschlands besitzen eine kleinbürgerliche Psychologie und mit ihrer Einladung in das Elektrozavod hat sich dieses Element bei uns eingeschlichen“. Im Unterschied zum russischen Arbeiter, der „seinen Platz kennt“, forderten die Ausländer, die sich unter den gleichen Bedingungen des Karten-Systems in einer privilegierten Stellung befanden, von der Verwaltung ständig höhere Löhne, richtige Abrechnungen, regelmäßigen Urlaub, gute Wohnbedingungen und setzten Ultimaten in Konfliktsituationen.

Moskauer Werk für Elektrolampen (MELZ) © Alexandr Pimenow

1931 besuchte der britische Dramaturg Bernard Shaw das Elektrozavod und sprach mit den Arbeitern. 1939 wurde das Elektrozavod aufgegliedert in das Moskauer Werk für Elektrolampen (MELZ), das Werk für die Elektroausrüstung von Traktoren (ATE-1), das Moskauer Werk für Projektoren und das Moskauer Transformatoren-Werk. Dennoch blieben alle Werke weiterhin Nachbarn auf dem umfassenden Grundstück.

Während des Krieges wurde im MELZ eine Abteilung für Kampfmittel eingerichtet, im Jahr 1942 eine Abteilung für Funklampen, die ebenfalls die Fertigung von elektronischen Strahlenröhren für Funkmessstationen aufnahm. 1948 wurde im Werk die erste Fernseh-Bildröhre gefertigt und die industrielle Fertigung der ersten Lumineszenz-Lampen des Landes begonnen. In Folge einer durchgeführten Rekonstruktion 1965 erhöhten sich die Produktionskapazitäten um mehr als das Doppelte. 1996 wurde das Werk in die MELZ Offene Aktiengesellschaft umgewandelt, die bis 2008 existierte. Gegenwärtig wird die Fertigung fast vollständig nach Rzhew ausgelagert. Ein Großteil der ehemaligen Werkräume wird für Büros genutzt.

Standortinformationen

Moskauer Werk für Elektrolampen (MELZ)
Moskau, Elektrozawodskaja Str., 21