Privates Mädchengymnasium Warwara von Derwies

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Das Gebäude des privaten Mädchengymnasiums © Batanai Schamu/

Das private Mädchengymnasium Warwara von Derwies wurde Ende des 19. Jahrhunderts von der Frau eines reichen russischen Geschäftsmannes im Andenken an ihre verstorbene Tochter gegründet. Paul von Derwies stammte aus einer russischen Familie aus Hamburg, die durch Peter III. in den Adelsstand erhoben wurde. Ursprünglich wurde der Familienname „von der Wiese“ ausgesprochen. Paul von Derwies absolvierte die Kaiserliche Hochschule für Rechtswissenschaft in Sankt Petersburg, diente im Senat, dann im Militäramt des Proviantdepartements, verließ 1857 seinen Dienstposten und zog nach Moskau. In den 1860er-Jahren baute von Derwies zusammen mit dem Ingenieur Karl von Meck die Rjasan-Koslow-Eisenbahn und dann die Kursk-Kiew-Eisenbahn. Dank einer erfolgreichen Platzierung der Aktien seines Unternehmens wurde er schnell reich.

Derwies hatte eine Ehefrau, Wera von Derwies (geborene Tietz), vier Söhne und eine Tochter – Warja. Seine Kinder litten an Knochentuberkulose. Um ihre Gesundheit wiederherzustellen, baute von Derwies 1868 in Nizza die prachtvolle Villa „Valrose“ (wörtlich „Tal der Winde“, im Volksmund „Tal der Rosen“ genannt). Seitdem lebte die Familie de facto im Ausland. In den frühen 1870er-Jahren verliebte sich von Derwies in eine andere Frau und baute eine Villa in Lugano in der Schweiz, die nicht mehr erhalten ist und von den Zeitgenossen „Wunderburg“, „Fantasieburg“ oder sogar „Scherbe des Himmels auf Erden“ genannt wurde. Im Jahr 1874 erhielt Wera von Derwies von ihrem Ehemann eine Million Rubel, den Landsitz Staroschilowo im Gebiet Rjasan und siedelte nach Moskau über.

Von Derwies war ein großzügiger Wohltäter: Mit dem von ihm gespendeten Geld wurde 1876 in Moskau das Kinderkrankenhaus des Heiligen Wladimir gebaut und nach seinem früh verstorbenen Sohn benannt. Dort richtete er eine Familiengruft ein, wohin er die Asche seines Sohnes und seines Vaters umbettete. Das Krankenhaus betreut auch heute noch junge Patienten. Im Jahr 1881 traf ein weiterer Schlag die Familie: Die einzige Tochter Warwara – Warja – verunglückte im Alter von 16 Jahren in Lugano tödlich bei einem Sturz vom Pferd. Am Tag darauf, auf dem Bahnhof in Bonn, starb Paul von Derwies an einem Herzinfarkt. Seine Frau Wera ließ die Leichen nach Moskau bringen und in der Familiengruft des Wladimir-Krankenhauses bestatten.

Im Jahr 1888 eröffnete Wera von Derwies im Andenken an ihre verstorbene Tochter Warwara eine private mildtätige Stiftung für Mädchen. Anfangs handelte es sich um ein Kinderheim, das den Namen „Warenjok“ trug. Das Heim war als Unterkunft und Schule für 16 (bezogen auf die Lebensjahre der Tochter) Waisen gedacht. Im Jahr 1898 kaufte Wera von Derwies ein altertümliches Anwesen mit einem dreigeschossigen Steinhaus und einem großen Garten des Moskauer Börsenhändlers und Mäzen I. Schulz. Der Architekt A. Nikiforow baute das Haus in ein privates Mädchengymnasium mit einem Pensionat für 210 Schülerinnen um. Hier gingen die Töchter der Kaufleute Morosow, Filippow, Ljamin ebenso zur Schule wie die zukünftige Schauspielerin des Maly-Theaters Jablotschkina, die Dichterin Marina Zwetajewa und die Schauspielerin Rina Seljonaja. Am Gymnasium wurde großer Wert auf feierliche Veranstaltungen, auf Unterhaltung, Bälle und dramatische Aufführungen gelegt. So gab es zahlreiche Teppiche, Flügel und Silberbesteck. Jedes Jahr am Geburtstag von Warwara von Derwies wurde das Totengedenken abgehalten und an ihrem Namenstag am 4. Dezember, der der Großmärtyrerin Warwara gewidmet ist, wurden Festakte, Andachten, Konzerte und Abendbälle veranstaltet, zu denen auch Jungen – Zöglinge der Ersten Kadettenschule in Lefortowo – eingeladen wurden. Nach dem Tod Weras von Derwies im Jahre 1903 überließen ihre Söhne dem Testament gemäß das Gymnasiumgebäude zusammen mit dem Grundstück als Geschenk dem Staat: unter der Bedingung, dass das Gymnasium weiterhin den Namen ihrer verstorbenen Schwester Warwara trägt.

Im Jahr 1917 wurde der letzte Abschlussjahrgang des Gymnasiums verabschiedet und 1918 entstand dort die Einheitsarbeitsschule Nr. 12 des Basmannij-Bezirks. Im Jahre 1936 wurde die Nummer der Schule in Nr. 325 geändert. Der Schauspieler und berühmte Sportkommentator Nikolaj Oserow war hier Schüler. In den frühen 1990er-Jahren wurde das Gebäude komplett restauriert, an der Fassade wurde das Wappen der Familie von Derwies nachgebildet. Heute befindet sich in diesem Gebäude die Filiale Nr. 2 der Karbyschew-Schule (Schule Nr. 354).

Standortinformationen

Privates Mädchengymnasium Warwara von Derwies
Moskau, Gorochowski-Gasse, 10
 

In Kooperation mit dem AOV „Internationaler Verband der deutschen Kultur“

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