Stadtvilla von Iwan Morosow (Präsidium der Russischen Akademie der Künste)

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Stadtvilla von Iwan Morosow (Präsidium der Russischen Akademie der Künste) © Alexandr Pimenow

Im Jahr 1889 erwarb Iwan Abramowitsch Morosow, ein Vertreter einer bekannten Kaufmannsdynastie und einer der reichsten Männer des Russischen Zarenreiches, das alte Gut an der Pretschistenka. Neben ihrem Reichtum waren die Morosows bekannt durch ihre Wohltätigkeit und das Mäzenatentum, da sie für wohltätige Zwecke spendeten und die Kunst förderten. Iwan Abramowitsch trug eine breite Kunstsammlung zusammen; in erster Linie Werke der neuen französischen Malerei, darunter Gemälde von van Gogh, Renoir, Vollard, Cézanne und anderen bekannten Künstlern. Der Architekt Lew Kekuschew baute 1905 das Morosow-Haus so um, dass darin die Kunstsammlung untergebracht werden konnte. Nach der Revolution verließ Morosow Russland, seine Sammlung verblieb jedoch in Moskau.

Im Jahr 1923 wurde die Sammlung Morosows mit einer anderen verstaatlichten Sammlung im Besitz des Kaufmanns Sergej Schukin vereinigt. Auf dieser Grundlage entstand das Staatliche Museum für moderne westliche Kunst, welches der Kunstwissenschaftler Boris Ternovets leitete. Das Museum wurde in der Morosow-Villa an der Pretschistenka untergebracht. Neben einer Ausstellung, die aus den verstaatlichten Sammlungen bestand, konnten sich die Besucher des Museums zudem temporäre Ausstellungen anschauen, darunter auch solche, die der deutschen Kunst gewidmet waren. Am 18. Oktober 1924 wurde hier die Erste Gesamtdeutsche Kunstausstellung eröffnet – als erste ausländische Ausstellung in Sowjetrussland. In der Exposition war deutsche Kunst des ersten Viertels des 20. Jahrhunderts vertreten, hauptsächlich Werke von Expressionisten, die in ihrer sozialen Ausrichtung extrem antibürgerlich waren. Diese Gemälde hatten einen großen Einfluss auf die sowjetischen Künstler der Epoche der Avantgarde. Ende 1924 und 1925 wurde die Ausstellung in Saratow und Leningrad gezeigt.

Stadtvilla von Iwan Morosow (Präsidium der Russischen Akademie der Künste) © Alexandr Pimenow

Der Volkskommissar für Aufklärung Anatolij Lunatscharski bezeichnete die Ausstellung als einen „Akt der Annäherung von zwei Gruppen der Intelligenz – unserer und der deutschen“ und stellte fest, dass der „deutsche Künstler das hinausschreit, was in seiner Seele brennt“. Ebenso schrieb er: „Ein solcher deutscher Künstler der jüngsten Generation geht außerordentlich leicht an die Defiguration der Figuren, an die Übersättigung der Farben heran, er tauscht oft die Realität gegen eine Karikatur, gegen ein Gespenst aus. Aber er hinterlässt die Realität ziemlich ausdrucksvoll, um die soziale Sprache, die Verbindung zu dem Betrachter nicht zu verlieren, um nicht aufzuhören, verstanden zu werden“. Am Ende der Ausstellung erwarb die Museumsabteilung des Volkskommissariats für Aufklärung fünf Gemälde, 17 Grafiken und eine Skulptur. All diese Werke wurden an das Staatliche Museum für moderne westliche Kunst übergeben.

Ebenso fand hier im Haus an der Pretschistenka 1931 eine Bauhaus-Ausstellung (Bauhaus-Schule der Architektur, die zwischen 1919 und 1933 in Deutschland wirkte) statt. In der Moskauer Ausstellung wurde die Periode von 1928 bis 1930 repräsentiert, als Hannes Meyer Bauhaus-Direktor war. Zur Eröffnung der Ausstellung zog er mit seinen Schülern nach Moskau. Diese deutschen Architekten hinterließen ihre Spuren beim Bau von Sozialstädten um die neu entstehenden Werke in Magnitogorsk, Swerdlowsk, Orsk, Perm, Solikamsk und in anderen Städten. 1933 reichte Hannes Meyer einen Generalbebauungsplan im Bauhaus-Stil für Birobidschan ein, der jedoch nur teilweise umgesetzt wurde. Meyer wollte das Bauhaus in eine marxistische Lehranstalt für Architektur mit dem Namen „Rotes Bauhaus“ umstrukturieren.

Stadtvilla von Iwan Morosow (Präsidium der Russischen Akademie der Künste) © Alexandr Pimenow

Am 30. April 1933 eröffnete das Museum an der Pretschistenka eine Ausstellung des Künstlers Erich Borchert. Der gebürtige Erfurter näherte sich dem Bauhaus Mitte der 1920er-Jahre, trat in die kommunistische Partei Deutschlands ein, emigrierte 1930 in die UdSSR und heiratete die Künstlerin Sophia Matwejewa. Mit Beginn des Großen Vaterländischen Krieges, des Zweiten Weltkrieges, wollte er als Freiwilliger an die Front, wurde jedoch in ein Baubataillon nach Kamensk-Uralskij geschickt. 1942 wurde er inhaftiert, der Vorbereitung eines Diversionsaktes beschuldigt und später zu 20 Jahren Strafarbeitslager verurteilt. Am 25. September 1944 verstarb Erich Borchert in einem Strafarbeitslager bei Karaganda im Alter von 37 Jahren. Im Staatlichen Puschkin-Museum sind zwei Aquarelle und zwei Zeichnungen des Künstlers erhalten, die 1933 auf seiner Ausstellung im Haus an der Pretschistenka erworben wurden.

1948 begann die Sowjetmacht den Kampf gegen die „Katzbuckelei gegenüber dem Westen“ und alle Formen des „Kosmopolitismus“, darunter den Formalismus und Impressionismus in der Malerei. Das Museum an der Pretschistenka wurde geschlossen und seine Sammlung aufgeteilt zwischen dem Staatlichen Puschkin-Museum für darstellende Künste in Moskau und der Staatlichen Ermitage in Leningrad. In das Haus an der Pretschistenka zog das Präsidium der Akademie der Künste der UdSSR ein (heute das Präsidium der Russischen Akademie der Künste, kurz RAK).

Standortinformationen

Stadtvilla von Iwan Morosow (Präsidium der Russischen Akademie der Künste)
Moskau, Pretschistenka Str. 21