Stadtvilla von Johann Langelite

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Stadtvilla von Johann Langelite (Abteilung der Russischen Gesellschaft für den Schutz von Geschichts- und Kulturdenkmälern in der Region Primorje) (Pologaia Str. 67) © Liudmila Kornilova

Die Stadtvilla des Unternehmers Johann Langelite ist ein historisches Wohnhaus in der Pologaia Straße 67 und gehört zum Kulturgut der Russischen Föderation.

Es ist ein einstöckiger Backsteinbau, der am Hang eines Hügels auf einer Erdterrasse liegt, die von einer massiven Stützmauer aus Naturstein gerahmt ist. Für seine Gestaltung wurden Elemente der gotischen Architektur verwendet, wodurch das Gebäude wie ein mittelalterliches Schloss wirkt. Die Hauptfassade weist eine aus drei Teilen bestehende symmetrische Komposition mit einem hohen Risalit in der Mitte und zwei Seitenflügeln auf. Die Außenwände werden an den einzelnen Stockwerken durch doppelte Gürtel mit Randsteinen gegliedert und schließen mit einem Relieffries und einer gezackten Brüstung ab. Die Hausecken werden durch Fialen in unterschiedlicher Höhe betont, die aus der Ferne wie Türme wirken. Die Fenster haben spitzbogige Konturen. In der Mitte der Fassade wurde ein Doppelfenster angelegt, das gerahmt von einem breiten gotischen Bogen ist.

Die schöne Stadtvilla in der Pologaia Straße 67 gilt offiziell als Haus der Familie Langelite. Johann Langelite, Russlanddeutscher und gebürtiger Hamburger, gehörte Ende des 19. Jahrhunderts zu den erfolgreichsten Kaufleuten im russischen Fernen Osten. Die Handelsgesellschaft „I. Langelite & Co.“ zählte zu den größten Industrie- und Handelsunternehmen in Wladiwostok.

Im Handel stand Johann Langelite seine junge Ehefrau Jelena (Thekla) zur Seite, die als eine Frau mit einem ausgesprochen guten Geschäftssinn galt. Sie verwaltete erfolgreich die Geschäfte und wurde zur Geschäftspartnerin und Beraterin für ihren Mann. Jelena Langelite war tonangebend in Wladiwostok, was die Mode betraf. Sie veranstaltete Musik- und Gesangabende, Laienaufführungen und Treffen mit Prominenten, die sich in der Stadt zu Besuch aufhielten.

Stadtvilla von Johann Langelite (Abteilung der Russischen Gesellschaft für den Schutz von Geschichts- und Kulturdenkmälern in der Region Primorje) (Pologaia Str. 67)

Die Familie hatte sechs Kinder: Alfred, Johann, Elisabeth, Hans-Franz, Georg-Hermann und Gerta. Die jüngste von ihnen, Gerta, wurde 1896 in Hamburg geboren, während die anderen in Wladiwostok zur Welt gekommen waren. Nachdem das Ehepaar Langelite im November 1889 die Staatsangehörigkeit des Russischen Kaiserreichs angenommen hatte, galten die beiden letzten Kinder ebenfalls formal als „russisch“. Übrigens stiegen die Firmenerträge danach beträchtlich: Das Unternehmen genoss nun Präferenzen und Privilegien, die heimischen Kaufleuten in der Äußeren Mandschurei zustanden.

Ende des 19. Jahrhunderts erlitt Johann Langelite eine schwere Krankheit, reiste zur Behandlung nach Deutschland und verstarb am 20. Juni 1900 mit etwa 50 Jahren in seiner Heimatstadt Hamburg. Das Handelsgeschäft ging laut Testament in den lebenslänglichen Besitz von Jelena Langelite, die als Witwe das Werk ihres Mannes erfolgreich fortsetzte. Zwei ihrer Söhne – Johann und Georg – traten in die Fußstapfen ihrer Eltern. Letzterer wurde Kaufmann erster Gilde wie einst sein Vater.

Stadtvilla von Johann Langelite. Seitenfassade (Abteilung der Russischen Gesellschaft für den Schutz von Geschichts- und Kulturdenkmälern in der Region Primorje) (Pologaia Str. 67) © Liudmila Kornilova

Das Haus wurde 1893 (oder 1896) nach einem Entwurf des in Wladiwostok bekannten Architekten Alexander Gwosdsiowski gebaut. Es heißt, dass die Familie Langelite dort bis 1903 wohnte, woraufhin das Haus an den ansässigen Unternehmer Michail Suworow verkauft wurde.

Im Jahr 1912 vermietete Michail Suworow das „Schloss“ dauerhaft an das Geistliche Konsistorium von Wladiwostok. Dabei wurde die Stadtvilla teilweise umgebaut: Es kamen eine Mansarde und neue Fenster hinzu, und die Innenräume wurden neu errichtet. Im Jahr 1924 wurde das Gebäude verstaatlicht und an den städtischen Wohnraumfonds übergeben. Es wurde in acht Wohnungen unterteilt, deren Bewohner dort bis 1988 hausten.

Im Jahr 2015 wurde das Objekt des regionalen Kulturguts „Stadtvilla von Johann Langelite“ an die Agentur für die Verwaltung und Nutzung von Geschichts- und Kulturdenkmälern zur operativen Verwaltung übergeben. Die Agentur befasste sich daraufhin als Auftraggeberin mit der Restaurierung des Gebäudes.

Dieses Gebäude wurde ursprünglich in ausgesprochen guter Qualität und sehr schön gebaut. Doch weil es im Laufe der Zeit Anbauten erhielt und anschließend restauriert wurde, kam es zu Deformationen. Neben der nicht sachgerecht ausgeführten Restaurierung gab es auch noch ein zweites Problem, weil das Bauwerk etwa ein Jahr lang unbeheizt blieb. Das Mauerwerk fror dadurch ein und in den Räumen bildete sich Feuchtigkeit – die gefrorenen Backsteine mussten komplett ausgewechselt werden. Für die erneute Restaurierung wurden rund 65.000 Ziegelsteine gekauft. Nun hat das Objekt nach der Restaurierung sein historisches Erscheinungsbild zurückerhalten. Bei der Wiederherstellung wurde das Gebäude mit einer Klimaanlage sowie mit Schneeschmelz- und Enteisungsanlagen ausgestattet.

Text

Liudmila Kornilova

Standortinformationen

Stadtvilla von Johann Langelite (Abteilung der Russischen Gesellschaft für den Schutz von Geschichts- und Kulturdenkmälern in der Region Primorje)
Wladiwostok, Pologaia Str. 67