Evangelisch-Lutherische Kirche St. Paul

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Evangelisch-Lutherische Kirche St. Paul © Goethe-Institut / Оleksandr Schefer

Im Jahr 1803 teilte der Bürgermeister von Odessa, Herzog von Richelieu, aus den deutschen Territorien ankommenden Handwerkern Land zur Besiedlung zu. Die daraus entstandene Siedlung bekam den Namen „Oberdeutsche Kolonie“. 1827 wurde in der Mitte der Kolonie eine Kirche errichtet. Ausführender Architekt war Karl Boffo, ein Lutheraner mit italienischen Wurzeln. Es handelte sich um ein Gebäude mit einfacher Architektur im Stil des Klassizismus. Im Laufe des Jahrhunderts wurden auf dem Kirchengelände mehrere Schulgebäude, eine Realschule zu St. Paul mit einer großen Sporthalle, Heime für ältere Menschen und Waisenkinder sowie ein Pfarrhof errichtet. Für die Erhaltung der Gebäude war die Kirchengemeinde zuständig.

Altar © Goethe-Institut / Оleksandr Schefer

Im Jahr 1898 wurde auf dem Gelände der alten eine neue Kirche errichtet. Der Architekt, der hierfür den Entwurf anfertigte, war Hermann Scheurembrandt, ein gebürtiger Stuttgarter. Die Räumlichkeit bot Platz für 1200 Gläubige, darunter 1000 Sitzplätze. Das Innere der Kirche war in seiner Gestaltung schlicht. Prächtig waren nur der aus Eichenholz geschnitzte Altar sowie die Kanzel. Diese neue Kirche, erbaut im neoromanischen Stil mit traditionellen Elementen des deutschen Kirchenbaus aus der späten rheinischen Romantik, wurde zu einem der Symbole der Stadt.

Der berühmteste Organist der Kirche war Komponist und Musiker Teofil Richter. Dessen Sohn, Swjatoslaw Richter, fand hier seine große Liebe zur Musik und erlangte später als Pianist Weltruhm. Die Gedenktafeln in der Kirche erinnern bis heute an die beiden Deutschstämmigen. Nachdem die Sowjets in Odessa 1920 an die Macht kamen, wurden das Kircheneigentum, Ländereien sowie Ausbildungs- und Sozialeinrichtungen verstaatlicht und Geistliche hatten unter Repressionen zu leiden. 1937 ließ man sämtliche Aktivitäten der Kirche einstellen, die Glocken sowie das Kreuz wurden abgenommen. Im Laufe der Zeit verschlechterte sich der Zustand der verlassenen Kirche, zahlreiche Elemente der Inneneinrichtung verschwanden.

Orgel © Goethe-Institut / Оleksandr Schefer

Im Jahr 1990 kam es schließlich zur Neugründung der lutherischen Stadtgemeinde. 2010 wurde die Kirche mit Unterstützung der lutherischen Kirche in Bayern (Deutschland) wieder aufgebaut. Zu ihrer Einweihung kam die Enkelin des Pfarrers Bienemann aus Deutschland, der die Gemeinde 1868-1892 leitete. Als Geschenk brachte sie ein Familienerbstück mit, das bischöfliche silberne Kreuz des Pastors.

Standortinformationen

Evangelisch-Lutherische Kirche St. Paul
Odessa, wul. Nowoselskoho 68/2