Deutsch-lettisches Leben im Mentzendorff-Haus

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In der Sünderstraße 18 (Grecinieku iela) können Sie sich über deutschbaltisches Leben informieren. Die „süßen Sünden“, die einst die Mentzendorffs hier zum Kauf anboten, waren Leckereien aus aller Welt.

Wenn Sie das Haus betreten, finden Sie ein kleines Museum und die Geschäftsstelle des deutsch-lettischen Kulturvereins Domus Rigensis (lateinisch „Rigaer Haus“). Anfang des 17. Jahrhunderts hatte Jürgen Helm hier eine Glaserwerkstatt eingerichtet. Sie können heute in den Kellergewölben historische Gläser betrachten und zuweilen Glaskünstlern bei der Arbeit zuschauen. In den oberen Etagen sieht man Zimmer mit der nachgeahmten Ausstattung einer deutschbaltischen Patrizierfamilie, wie sie in früheren Jahrhunderten gelebt haben mag. Decken- und Wandmalereien aus jener Zeit sind original erhalten. In den einzelnen Räumen können ein alter Laden, eine Küche mit Mantelschornstein, Gästezimmer, Tanzsalon, Familienkapelle, Dichter- und Mädchenzimmer besichtigt werden. In der großen Dachkammer sind monatlich wechselnde Ausstellungen zu sehen. Das Gebäude ist heute nach seinen letzten Eigentümern benannt, der Kaufmannsfamilie Mentzendorff. Sie war in Riga für ihren Ideal-Kaffee, ihre Schweizer Schokolade und den Mentzendorff-Likör bekannt. Das Haus an der Grēcinieku Straße 18 gehörte ihr bis zum Jahr 1939. Dann musste sie wie viele andere Deutschbalten ihre Heimat verlassen. Hitler hatte nach seinem Pakt mit Stalin beschlossen, jene, die in der NS-Sprache „Baltendeutsche“ hießen, „heim ins Reich“ zu holen, was zunächst ihre sogenannte „Umsiedlung“ nach Polen bedeutete.

In sowjetischer Zeit war die deutschbaltische Vergangenheit ein Tabu. Nach dem Krieg wohnten verdiente Eisenbahner in diesen historischen Mauern. Schließlich stand das Haus leer und verfiel. Auf Initiative des Rigaer Bürgermeisters Alfrēds Rubiks wurde Ende der achtziger Jahre das verwahrloste Gebäude durch polnische Fachkräfte restauriert. (Polen sind international als Restaurateure sehr anerkannt). In der Zeit, als die Letten wieder ihre Unabhängigkeit erkämpften, regte Architekt Pēteris Blūms an, hier ein deutschbaltisch-lettisches Begegnungszentrum zu schaffen. Nach Jahren des Eisernen Vorhangs zwischen Ost und West kamen Deutsche und Letten nun wieder leichter zusammen und gründeten 1992 Domus Rigensis. Heute zählt der Verein mehr als 200 Mitglieder. Er erinnert mit zahlreichen Veranstaltungen an das gemeinsame deutschbaltisch-lettische Erbe. Höhepunkt sind in jedem Jahr die Domus-Rigensis-Tage Anfang Juli. Sie bieten ein dreitägiges Informations- und Unterhaltungsprogramm mit Vorlesungen, Ausflügen, Tanz- und Konzertveranstaltungen. Zudem weihen die Vereinsmitglieder in jedem Jahr eine neue Gedenktafel oder ein Denkmal zu Ehren einer deutschbaltischen Persönlichkeit ein. Zu den Geehrten gehören z.B. Kant-Verleger Johann Friedrich Hartknoch, der auf Rigas Großem Friedhof beerdigt ist, oder Christoph Haberland, Rigas klassizistischer Baumeister.