Kant in Kurland: ein Stück Weltliteratur aus Liepāja

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Die Buchhandlung Lagarde und Friedrich in Libau (heute: Liepāja) verlegte Werke von Vertretern der Aufklärung aus Berlin und Königsberg. Ein Auftrag sticht in der kurzen Firmengeschichte besonders hervor.

Das Gebäude der einstigen Buchhandlung Lagarde und Friedrich in Libau (heute: Liepāja). Foto: Geoff Chester

Auf den ersten Blick ist es nur ein schlichtes Holzhaus im sonst vor Prachtbauten des Architekten Paul Max Bertschy nur so strotzenden Liepāja. Und doch ist das unscheinbare Gebäude im Zentrum der drittgrößten Stadt Lettlands ein Ort von großer Bedeutung. Darin befand sich einst die Buchhandlung von François Théodore de Lagarde und Johann Daniel Friedrich, die 1790 die Erstausgabe von Immanuel Kants „Kritik der Urteilskraft” verlegte. Erinnert wird daran mit einer Gedenktafel und einem kleinen Denkmal für den deutschen Philosophen (1724-1804), das 2011 eingeweiht wurde.

Die Gedenktafel und das kleine Denkmal für Immanuel Kant an der Fassade der einstigen Buchhandlung Lagarde und Friedrich in Libau (heute: Liepāja). Foto: Geoff Chester

Die „Kritik der Urteilskraft“ ist das dritte Hauptwerk von Kant nach der „Kritik der reinen Vernunft“ (1781) und der „Kritik der praktischen Vernunft“ (1788). Die ersten beiden Schriften wurden noch im Verlag von Johann Friedrich Hartknoch in Riga veröffentlicht, der nach dessen Tod 1789 von seinem Sohn weitergeführt wurde. Doch diesem gelang es nicht, Kants Gunst zu erwerben – und die „Kritik der Urteilskraft“ erschien bei Lagarde und Friedrich. Die beiden Berliner Buchhändler hatten am 15. Juni 1785 im damaligen Libau eine Niederlassung gegründet, die sechs Jahre lang bestand und in dieser Zeit etwa 60 Titel verlegte.

Titelblatt der Erstausgabe von Immanuel Kants „Kritik der Urteilskraft". Foto: © Peter Harrington Rare Books

Warum sich Kant für diesen Verlag entschied, ist nicht überliefert. Der lettische Historiker und Denkmalinitiator Rihards Rubīns schätzt, dass Kostengründe den Ausschlag gaben. Vereinzelt wird sogar vermutet, dass Kant zur Übergabe des Manuskripts womöglich Liepāja persönlich besucht hat. Urkundliche Belege für die Behauptung gibt es nicht. Dafür aber war sein jüngerer Bruder Johann Heinrich Kant (1735-1800) nachweislich als Lehrer in Mitau (heute: Jelgava) und als Priester in Vecsaule tätig.

Kant zeigte sich angetan von der Verlagsproduktion. „Die Aushängebogen zeigen von einer sehr guten Ausführung des Drucks, sowohl was Papier als Lettern betrifft“, bescheinigte er Lagarde im März 1790 in einem Brief. Der Buchverleger gab das Lob umgehend zurück. „Ihr Werk schafft mir nicht allein Nutzen, sondern macht meinem Verlage Ehre“, antwortete er.

Angesichts der starken Nachfrage sollte es schon bald eine zweite Auflage geben. Wegen vieler Korrekturen und anderweitiger Verpflichtungen von Kant konnte diese aber erst 1793 erscheinen. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Wege von Lagarde und des in Libau ansässig gewordenen Friedrich bereits getrennt – als Verlagsort ist auf dem Titel nur noch Berlin vermerkt.

Standortinformation

Einstige Buchhandlung Lagarde und Friedrich
Bāriņu iela 25
Liepāja, LV–3401
LETTLAND

Deutsche Spuren in Lettland

Ein Projekt des Goethe-Instituts Lettland.
Autor: Alexander Welscher